Bei der Abendveranstaltung am Dienstag, den 19. Juli 2016, im Ingolstädter Gewerkschaftshaus drehte sich wieder alles um die Frage wie CETA und TTIP gestoppt werden können. Zu Gast waren Eva Bulling-Schröter, Harald Weinberg, Ulrich Berber von der KAB und Ludwig Maier vom DGB. Moderiert wurde die Veranstaltung von Roland Meier, der gleich zu Beginn die erfolgreiche Unterschriftensammlung für das Volksbegehren gegen CETA lobte, aber auch darauf hinwies, dass in der zweiten Stufe 940.000 Unterschriften, 10% der Wahlberechtigten in Bayern, innerhalb von zwei Wochen in den Rathäusern unterschreiben müssen.
Ludwig Maier eröffnet die Diskussion und führt aus, dass für den DGB bei CETA vor allem die Bereiche Arbeitnehmerrechte, Investorenschutz, Daseinsvorsorge und Verbraucherschutz interessant sind. Der DGB fordert CETA und TTIP nicht in der jetzigen Form zu beschließen. Änderungen hält er allerdings für nicht mehr möglich, weil CETA schon ausverhandelt ist und damit auch TTIP durch die Hintertür beschlossen wird.
Es wird bei CETA zwar versprochen, die Daseinsvorsorge auszunehmen, diese ist aber nicht definiert. Je nach EU-Land ist völlig unterschiedlich was dort dazu gehört. Er warf die Frage auf, ob damit zum Beispiel auch die Bereiche Bildung, Kultur, Energie, Verkehr, Wasser/Abwasser und soziale Dienstleistungen bei CETA ausgenommen sind? Beim Verbraucherschutz ist noch unklar welche Standards anerkannt und welche angepasst werden. Wird zum Beispiel auch der amerikanische Standard bei der Verwendung von gentechnisch veränderten Lebensmittel anerkannt, dann können auch in Europa nichtgekennzeichnete Lebensmittel verkauft werden.
Bei den Arbeitnehmer/innenrechten kritisiert Maier, dass die USA bisher nur zwei ILO-Normen ratifiziert hat, Kanada immerhin 7 und die 8. ist in Vorbereitung. Die kanadischen Gewerkschaften und der DGB machen Druck, dass bei CETA in dem Bereich nachverhandelt wird. Maier stellte klar, dass der Zweck von TTIP ist, nichttarifierbare Handelshemmnisse abzubauen. Das kann in Deutschland zum Beispiel die Abschaffung des arbeitsfreien Sonntages bedeuten.
Ulrich Berber von der KAB erläuterte die Ideologie, die zu den Freihandelsabkommen führt. Es gilt das Diktum, Waren dort herzustellen, wo dies am billigsten möglich ist und dann alles den Verkauf störende, also Handelshemmnisse wie Arbeitsrechte, zu beseitigen. Laut Oxfam besitzen 65 Menschen so viel wie die ärmeren 3,5 Milliarden Menschen dieser Welt. Das Heilsversprechen, dass alle von mehr Handel profitieren, erfüllt sich nicht. Für ihn ist klar, dass die amerikanische Seite versucht, Kollektivarbeitsrechte zu beseitigen, was vor allem die Gewerkschaften treffen wird.
Das mittelfristige Ziel ist es, alle Lebensbereiche dem Markt zu öffnen und alles zu privatisieren. Dies darf dann auch nicht mehr zurückgenommen werden und TTIP und CETA sollen als Ewigkeitsabkommen beschlossen werden. Es geht um die Schaffung von Normen und Standards, denen sich alle unterordnen müssen. Berber ist stattdessen für einen fairen Handel, in denen die Menschen, die produzieren, im Mittelpunkt stehen und er hält die Entwicklung einer sozialen Arbeitsrechtscharta für notwendig.
Harald Weinberg beschrieb, dass der Gesundheitsbereich ein noch nicht völlig erschlossener Markt ist, der noch weiter für Profite geöffnet werden wird. Die Freihandelsabkommen sind Hebel dafür. Er machte dies an einem Beispiel aus Polen deutlich. Ein staatlicher Versicherungskonzern wurde in den 90iger Jahren zu 20 Prozent an einen niederländischen Konzern verkauft mit dem Ziel ihn 2001 an die Börse zu bringen und dann bis zu 50 Prozent zu übernehmen. Eine neu gewählte Regierung wollte aber, dass der Konzern in öffentlicher Hand bleibt. Daraufhin klagte der niederländische Konzern 2003 auf Grundlage eines bilateralen Freihandelsabkommen zwischen Polen und den Niederlanden vor einem Schiedsgericht. Dieses hat Polen dann zur Zahlung von 2 Milliarden Euro Entschädigung und zur Durchführung des Börsengangs verurteilt, weil es ein nationaler und politischer Eingriff gewesen wäre. Es gibt im Gesundheitssektor inzwischen einen breiten Widerstand gegen die Freihandelsabkommen. Der Ärztetag hat kürzlich eine Resolution gegen TTIP verabschiedet. Ebenfalls dagegen sind der Marburger Bund, die Apothekerverbände und weitere.
Eva Bulling-Schröter beschrieb die regulatorische Kooperation, die CETA und TTIP zu “lebendigen Abkommen” machen. Sie werden immer weiter verändert und können so immer weitere Lebensbereiche erfassen. Dies geschieht aber undemokratisch und intransparent. Sie schilderte außerdem die Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. Die Freihandelsabkommen werden das Vorsorgeprinzip Europas, die Chemikalien-Richtlinie und den Grundkonsens in der EU, das gentechnisch veränderte Lebensmittel zumindest gekennzeichnet werden müssen, aushebeln. Sie sind Einfallstore zum vermehrten Einsatz der Nanotechnologie und zur Zulassung endokriner Stoffe, die den Hormonhaushalt der Tiere und Menschen stören und die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen können.
In der anschließenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, wie möglichst viele Menschen zur Demo gegen TTIP und CETA am 17.9. nach München mobilisiert werden können. Für Harald Weinberg ist es ein gutes Zeichen, dass am vergangenen Samstag im 40.000-Einwohner-Städtchen Ansbach 1800 Menschen gegen CETA unterschrieben haben und die meisten auch wussten worum es geht. Eva Bulling-Schröter regt an, dass Bündnis gegen TTIP und CETA weiter zu verbreitern und auch die SPD Bayern, die sich jetzt gegen CETA ausgesprochen hat, muss dann auch mitmobilisieren.