Klimabeitrag von ältesten Kohlemeilern wasserdicht machen

Erste Rede am 26.03.2015 zum TOP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN Haltung der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministers zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei Kohlekraftwerken und zur Förderung der Kraftwärmekopplung

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gabriel, wenn Ihr Vorschlag, so wie er jetzt vorliegt, eins zu eins umgesetzt würde,

(Florian Post (SPD): Wäre es super!)

wäre bis 2020 ein großer Schritt getan. Wir meinen aber: Es wird wohl nicht so kommen; denn die großen Bremser schreien jetzt am lautesten. Das wussten Sie natürlich, Herr Gabriel. Dass die Kohleländer rebellieren und die Belegschaften der Kohlekraftwerke aus sozialen Gründen Sturm gegen den Kohlebeitrag laufen, war eigentlich klar.

Angesichts der harschen Kritik vonseiten der CDU und der Konzerne wirkt Ihr Vorschlag fast so, als könne er nicht ganz falsch sein. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Niemand weiß derzeit, ob der neue Klimabeitrag die ältesten Dreckschleudern unwirtschaftlich macht; denn wir kennen die genauen Kosten für den Betrieb der Kohlekraftwerke eben nicht.

Es ist nämlich erstens völlig offen, ob der von Ihnen vorgeschlagene Preis von 18 bis 20 Euro pro Tonne CO2 wirklich zu der erwünschten CO2-Reduzierung führt.

Zum Zweiten. Die Eckpunkte werden natürlich nicht so bleiben.

(Florian Post (SPD): Deshalb sind es Eckpunkte!)

Da hat der Kollege der CDU ja schon etwas angedeutet. Ich gehe davon aus, dass der jetzt bei 18 bis 20 Euro pro Tonne CO2 angesetzte Preis noch ordentlich geschliffen wird, die Freigrenzen angehoben werden und, und, und. Sie kennen das ja.

Abgesehen davon haben ja die Kohlekonzerne bereits ein erhebliches Erpressungspotenzial in Form von Klagen in Milliardenhöhe gegen den Atomausstieg aufgebaut.

(Sabine Leidig (DIE LINKE): Unglaublich!)

Ich vermute leider: Die Bundesregierung wird sich mit den Energiekonzernen am Ende auf einen Deal einigen ‑ wir kennen das ‑, und der Deal wird leider butterweich sein. Das wollen wir natürlich nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch ein dritter Punkt ist wichtig. Der Klimabeitrag für Kohlekraftwerke wirkt erst ab 2017 und zunächst nur bis 2020. Sie haben keine längerfristige Strategie für den Umgang mit der Kohleverstromung. Und was kommt dann nach 2020? – Wir müssen ja weiterdenken. Hätten Sie sich für einen geplanten und geordneten Ausstieg aus der Kohle entschieden, dann könnte der fällige Strukturwandel in den betroffenen Regionen eingeleitet werden. Dass wir diesen Strukturwandel brauchen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das halte ich für unbestritten. Dafür müssen wir natürlich auch etwas tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann hätte nicht nur das Klima Sicherheit, sondern auch die Belegschaften, die sich längerfristig darauf einstellen könnten.

In dem Getöse um die Kohleabgabe gehen leider ‑ vielleicht auch gewollt ‑ die schmerzlichen Maßnahmen gegen die Kraft-Wärme-Kopplung fast vollständig unter. Sie rücken vom bisherigen Ziel „25 Prozent KWK bis 2020“ deutlich ab. Das haben wir zwar schon befürchtet, als das Grünbuch herauskam. Aber dass Sie im Windschatten der CO2-Debatte die KWK so radikal zusammenstutzen, wie es jetzt geplant ist, das hätten wir nicht für möglich gehalten.

Sie sagen, dass sich der Anteil von 25 Prozent nur an der thermischen, also der fossilen Erzeugung, statt an der gesamten Stromerzeugung bemessen soll. Wir sagen: Das ist ein Rechentrick; denn Sie wussten selbst, dass mit dem Aufwuchs bei den Erneuerbaren der Anteil der Fossilen zurückgeht und damit die Stellschraube für KWK. Der Rückgang der thermischen Erzeugung und der Zubau bei den Erneuerbaren waren auch schon klar, als das KWK-Ziel gesetzt wurde. Das wussten Sie. Sie können rechnen. So ist es also nicht.

Ihr Vorschlag bedeutet, dass wir nur noch ein 19-Prozent-Ziel – 19,4 Prozent haben wir berechnet – für den Anteil der KWK bis 2020 und einen Aufwuchs von gerade einmal 3 Prozent in fünf Jahren haben. Das ist schon ein bisschen wenig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich halte das nicht nur für bedauerlich, sondern ich halte es auch für jämmerlich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Es war von Beginn an klar, dass die KWK nur eine Übergangstechnologie auf dem Weg zur Vollversorgung durch Erneuerbare sein würde, aber trotzdem ein ganz wichtiger Beitrag. Ich sage Ihnen: Sie lassen jetzt die Stadtwerke im Regen stehen, für die Sie sich noch als Umweltminister eingesetzt haben. Sie schreddern jetzt Ihr eigenes KWK-Ziel.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Das ist eine Riesensauerei! ‑ Dirk Becker (SPD): Stimmt doch nicht! Unsinn!)

Sie selbst geben der lange siechenden KWK einen Gnadenstoß; so empfinden wir das und im Übrigen auch die KWK-Hersteller, die uns ja jetzt schreiben, sowie die Stadtwerke. Dazu, dass Sie von einem moderaten Ausbau reden, sage ich: Sie haben Angst vor Ihrer ehemaligen Courage. Das werden wir nicht hinnehmen. Wir wollen die Stadtwerke schützen, und wir brauchen auch die kleinen KWK-Anlagen.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Dirk Becker (SPD): Das sagen wir schon die ganze Zeit!)

Wir brauchen natürlich in Klima- und Energiefragen Visionen

(Florian Post (SPD): Haben wir ja!)

und kein kurzfristiges Herumdoktern.

Zum Schluss vielleicht noch etwas zur Preissicherheit, die immer wieder angesprochen wird. Gestern war im Wirtschaftsausschuss der Präsident der IRENA. Er hat uns nochmals ans Herz gelegt: Wir müssen aus der Kohle raus. Die regenerativen Energien sind bezahlbarer. Sie sind konkurrenzlos billig. ‑ Er ist nicht irgendjemand, sondern der Präsident der internationalen Energieagentur. Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie doch den Leuten, die permanent an diesen Fragen arbeiten. Ich denke, Sie sollten sich dies zu Herzen nehmen und nicht immer erzählen, dass die fossilen Energieträger so viel billiger sind. In Wirklichkeit sind es die regenerativen Energien.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Kollegin.

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Die sind zukunftsfähig. Die anderen eben nicht.

(Beifall bei der LINKEN)