Eva Bulling-Schröter begrüßt in der Aktuellen Stunde das Ziel der Bundesregierung, auch im Energiesektor Maßnahmen zur massiven Einsparung von CO2 zu ergreifen. Den Versprechungen müssten allerdings Taten folgen. Die gesetzliche Grundlage dafür müsse nämlich erst noch geschaffen werden.
Rede am 04.12.2014 zur Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Haltung der Bundesregierung zum Erreichen der Klimaschutzziele 2020“
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 ist schon ein starkes Stück,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Ja, finden wir auch!)
nicht nur was die Dramatik der letzten Wochen, sondern auch die Vorstellung des Regierungsprogramms gestern betrifft. Wir haben lange hin und her überlegt, gerechnet und abgewogen. Ob Sie es nun glauben oder nicht:
(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Nein!)
Wir finden, dass der heimliche Coup dieses Maßnahmenpakets – es geht darum, die Lücke bei den deutschen Klimaschutzzielen bis 2020 zu schließen – die Summe an Einsparungen im Kraftwerksbereich ist. Wenn es also wirklich stimmt, was sich rechnerisch aus dem Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 ergibt, nämlich die Gesamtemissionen der Energiewirtschaft in den kommenden Jahren bis 2020 auf 284 Millionen Tonnen herunterzufahren: Hut ab! Dann haben Sie uns entgegen unseren Bedenken wirklich überrascht; denn das wäre eine Verdreifachung im Tempo der bisherigen CO2-Einsparung in diesem so schmutzigen Sektor – und das in nur fünf Jahren.
(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)
Lassen Sie uns für das Protokoll jetzt festhalten: Die SPD-geführten Ministerien planen, im Energiesektor 93 Millionen Tonnen einzusparen, bezogen auf 2012. – Ich finde, dafür kann man ruhig mal applaudieren.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU))
Jetzt an Sie, Frau Hendricks, die Frage: Können Sie – Sie reden ja gleich – hier noch einmal ausdrücklich bestätigen, dass Sie den Kraftwerkspark auf 93 Millionen Tonnen Einsparung bis 2020 verpflichten wollen?
(Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Hendricks, wollen schon, aber machen nicht!)
Dann hoffen wir, dass den großen Ansagen auch Taten folgen.
Gestern hat Herr Gabriel gegenüber der Presse gesagt, diese Bundesregierung werde im ersten Quartal 2015 eine gesetzliche Grundlage schaffen, nicht nur für die 71 Millionen Tonnen Einsparung, die sowieso vorgesehen sind, sondern auch für die 22 Millionen Tonnen zusätzlich, also für das gesamte Paket von 93 Millionen Tonnen CO2-Einsparung der Energieindustrie. Dafür hat die Regierung gestern auch schon ein verhaltenes Lob von Greenpeace erhalten.
Es wird gemunkelt, dass der nationale Kohleausstieg, den die Linke seit längerem fordert, wenn auch über andere Mechanismen, etwa über die Reform des Strommarkts, eingeleitet werden soll; Stichwort: Kapazitätsreserve. Schmutzige Kohlekraftwerke gehen vom Netz und stehen für Zeiten bereit, in denen wir für Netzstabilität und Versorgungssicherheit schnell und zuverlässig konventionelle Energien benötigen. Dem Klima wäre damit auf jeden Fall geholfen; denn jeder Tag, an dem die Kohleschlote nicht qualmen, ist ein gewonnener Tag fürs Weltklima.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich meine, das ist schon verrückt: Die zwei Kohlekraftwerke Neurath und Niederaußem in Nordrhein-Westfalen verpesten zusammen mit dem Kraftwerk Jänschwalde in Brandenburg die Luft so stark wie die Schweiz und Ecuador zusammen. Hier müssen wir ran; sonst nimmt uns in Lima und Paris wirklich niemand ernst!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Auf keinen Fall darf das Klimaschutzprogramm ein reines Propagandainstrument im Vorfeld der UN-Klimakonferenz sein. Frau Ministerin, so geht das natürlich nicht: sich international abfeiern lassen und die angekündigten Errungenschaften dann zu Hause nicht umsetzen. Wir wollen, dass Sie Wort halten.
Noch ein Wort zu den übrigen Maßnahmen bei der Effizienz und im Verkehr. Da müssen die meisten Ressorts ihren Beitrag noch leisten. Die Frage ist nun, was am Ende hinten rauskommt; das ist klar. Im konkreten Fall heißt das: Lässt sich mit dem Aktionsprogramm tatsächlich das 40-Prozent-Minderungsziel erreichen,
(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Ja!)
und zwar volkswirtschaftlich sinnvoll und sozial gerecht?
(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Ja!)
Da schaut es weniger toll aus. Denn es handelt sich bei den meisten übrigen Maßnahmen um solche, die die Bundesregierung nicht wirklich in der Hand hat. Sie setzen auf Freiwilligkeit, und zwar ganz.
Zum Schluss noch zur sozialen Komponente des Aktionsprogramms. Es wird von uns Linken ja erwartet, dass wir auch dazu etwas sagen. Da findet man etwas im Bereich Gebäudesanierung, beim Stromspar-Check und bei der Stromsparinitiative. Allerdings wird hier überall nur geprüft, unter anderem, ob Zuschüsse für Energiespargeräte bei einkommensschwachen Haushalten mit Hartz IV verrechnet werden müssen. Das ist für mich ein Skandal. Wenn so die soziale Absicherung der Energiewende ausschauen soll, dann gute Nacht!
(Beifall bei der LINKEN)