Kommunen zu ihrem Recht verhelfen

Rede am 19.03.2015 zum TOP 5 des Antrags der Fraktion DIE LINKE Energienetze zurück in öffentliche Hand – Rechtssicherheit bei der Rekommunalisierung schaffen Drs. 18/4323 sowie Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE Übernahme der Energienetze durch Stadtwerke erleichtern Drs. 18/3745, 18/4222

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzte Debatte zu diesem Thema fand ja Ende Januar an einem Freitagnachmittag statt. Auch da wurde groß debattiert, vor allem mit der CDU/CSU, die sich da regelrecht aufgeregt hat.

Herr Kollege Koeppen, Sie haben damals gesagt und jetzt wieder behauptet, die Linke wolle die Systemfrage stellen, weil sie öffentlichem Eigentum Vorrang vor privatem geben würde. Da frage ich mich schon, wie Sie sich das System vorstellen, und für mich zeigt das auch, wie Sie denken: Da wird Staatswirtschaft kritisiert, wird behauptet, die Kommunen könnten Aufgaben weniger gut wahrnehmen als private Dienstleister. Ich werde einmal schauen, wie die Kommunalvertreter auf solche Vorhaltungen reagieren. Ich komme aus Bayern; da ist die Mehrheit bei der CSU. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Leuten das so sagen wollten. Aber das muss man denen einmal sagen, wie die Vertreter hier in Berlin sie einschätzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind ja gewohnt, dass die Union bisweilen so reagiert wie ein Stier, wenn er ein rotes Tuch sieht.

(Jens Koeppen (CDU/CSU): Das hat uns erfolgreich gemacht!)

Ich sage auch nicht, dass Sie von der CDU/CSU keine Angst vor uns haben brauchen. Aber diesmal geht es um Stadtwerke und um Kommunen. Wenn das wirklich schon ein „Systemwechsel“ sein soll, dann muss ich wirklich sagen: Es geht hier doch um die ureigensten Rechte der Kommunen. Bei uns sind die Kommunalvertretungen alle gewählt, sie sind so zusammengesetzt, wie die Bevölkerung das will bzw. in der Form, dass ihrer Meinung nach so ihre Interessen vertreten werden.

Ich glaube, Sie haben da einfach etwas nicht richtig verstanden oder wollen es nicht richtig verstehen: Es geht hier um die Vergabe von Konzessionen durch die Kommunen in der Regel für 20 Jahre. Und man muss den Leuten sagen: Wenn jetzt nichts passiert, dann bekommen die großen Energiekonzerne für weitere 20 Jahre die Konzession, dann ist die Gelegenheit für eine Neuordnung erst mal wieder vorbei. Dieses Verfahren beruht darauf, dass die Kommunen das Wegerecht besitzen. Wenn Sie nun denken, dass Private Vorrang haben sollten, hat das mit Subsidiarität nichts zu tun.

Gehen wir einmal zurück! Reden wir einmal über die Liberalisierung der Energiemärkte damals unter Kohl! Ich war damals schon im Bundestag. Ich kann mich noch gut erinnern: Da gab es einen Abgeordneten Rupert Scholz, von Beruf Rechtsanwalt, der damals darauf spekuliert hat, die Konzessionsabgabe ganz abzuschaffen. Er wollte den Kommunen also auch die Einnahmemöglichkeit nehmen. An so etwas muss man erinnern! Ich war in einer Enquete-Kommission zu Energiefragen. Da gab es ein Gesamtvotum – das haben auch CDU/CSU und FDP damals mitgetragen -, in dem von der Gefahr von Oligopolen gesprochen worden ist. Das haben Sie alle unterschrieben. Das sollten Sie in diesen Unterlagen noch einmal nachlesen, weil das einfach wichtig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Damals war das vorprogrammiert, und damals hat man uns auch erzählt, es gehe um die Verbraucher. Ich kann mich noch daran erinnern: Die Verbraucherpreise wurden um 40 Prozent erhöht, und die Preise für die großen Konzerne wurden gesenkt. Schon damals ging es darum, und jetzt ist das wieder so.

(Beifall bei der LINKEN)

Man sieht, welche Interessen Sie vertreten. Wir wollen den Kommunen zu ihrem Recht verhelfen. Ich zitiere jetzt einmal das Grundgesetz. In Artikel 28 des Grundgesetzes steht, dass die Gemeinden das Recht haben, die Angelegenheiten ihrer örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. ‑ Lesen Sie das einmal!

Herr Bareiß, Sie sagen, die Rekommunalisierung könne kein Selbstzweck sein.

(Thomas Bareiß (CDU/CSU): Ja! ‑ Florian Post (SPD): Das habe ich auch gesagt! Das stimmt! Da hat er recht, der Kollege!)

Was meinen Sie denn damit? Meinen Sie damit, dass alles privat werden soll? Es gibt natürlich überall solche und solche.

Bei der SPD gab es auch etwas Merkwürdiges: In der letzten Debatte wurde gesagt, dass die Rekommunalisierung der Netze nicht immer besser sei und auch teuer für die Kommunen sei. Kollege Post hat das jetzt zum Teil relativiert.

(Florian Post (SPD): Das habe ich nie gesagt!)

Hier sehe ich also auch ein Umdenken. Wenn man hier etwas ausbügelt, dann werden wir das natürlich auch unterstützen.

Ich möchte jetzt noch einmal ganz klar sagen: Wir wollen keine Kommune zwingen, ihre Netze zurückzukaufen, wie das hier immer behauptet wird, aber wir möchten, dass den Kommunen, die ihre Netze zurückkaufen wollen, dabei keine Steine mehr in den Weg gelegt werden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beispiele dafür erleben wir ja ständig. Und es geht um die Stärkung der Kommunen. Sie haben das bitter nötig. Tatsache ist doch: Die Städte können nicht einfach darüber entscheiden und die Netze zurückkaufen, sondern sie müssen oft Klagen fürchten, die häufig gegen sie ausgehen.

Ich war in einer Kommune in Nordrhein-Westfalen. Der dortige Bürgermeister, der sehr schlitzohrig war, hat mir gesagt: Wissen Sie, Frau Bulling-Schröter, wenn ich keinen Spezi gehabt hätte, der vor seinem Renteneintritt zufällig in der Konzernspitze eines Energiekonzerns tätig war, dann hätte ich das nie erreicht. ‑ Diese Kommune wurde jetzt als Klimakommune ausgezeichnet, und darauf bin ich stolz.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Weil wir wollen, dass es noch viel mehr solcher Kommunen gibt, dass sie wirklich die Chance haben, zur Energiewende beizutragen, und dass die Bürger wieder mehr zu sagen haben, deshalb wollen wir die Rekommunalisierung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)