EU-Kommission beerdigt Klimaschutz

Rede im Bundestag – 13.03.2014

Tagesordnungspunkt 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Energiewende europäisch verankern, Drucksache 18/777

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es steht viel auf dem Spiel, und wir haben nicht viel Zeit. Europäische Energiepolitik muss deshalb Klimaschutzpolitik sein. (Beifall des Abg. Ralph Lenkert (DIE LINKE))

Diese muss sich am 2-Grad-Ziel orientieren. Wenn ich mir aber die Vorschläge der EU-Kommission zum Rahmen der Klima- und Energiepolitik anschaue, muss ich sagen: Ich halte sie für eine Bankrotterklärung. Denn das Ziel einer Minderung um 40 Prozent bis 2030 bedeutet nichts anderes, als dass wir 2050 maximal bei minus 70 Prozent statt bei minus 80 bis 95 Prozent herauskommen.

Wenn ich mir dann vorstelle, wie wir als EU-Verhandlungsdelegation nächstes Jahr in Paris dastehen – wir sind ja mit dabei -, kann ich nur sagen: Eigentlich können wir uns da gar nicht blicken lassen. Ich finde das, was hier passiert, ganz peinlich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Statt der nun vorgeschlagenen Reduzierung um 40 Prozent bräuchten wir als Ziel bis 2030 mindestens eine Reduzierung um 55 bis 60 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber 1990. (Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Sagen Sie das mal in Brüssel!)

Auch der Vorschlag der Kommission im Hinblick auf ein Reförmchen des europäischen Emissionshandels ist absolut ungenügend. An den derzeit 2 Milliarden Überschüssen an Zertifikaten, die eigentlich sofort stillgelegt werden müssten, wird mit der sogenannten Marktstabilitätsreserve eben kaum gerüttelt; das funktioniert alles nicht, Herr Pfeiffer. Deshalb werden die CO2-Preise weiterhin im Keller bleiben; sie sind übrigens sogar niedriger als der Preis für eine Schachtel Zigaretten.

Auf gut Deutsch heißt das, dass weitere 10 bis 15 Jahre aus dem Emissionshandel kein Klimaschutz erwachsen wird. Wir rechnen es einmal hoch: Bis 2030 gibt es dann immer noch einen Überschuss von 650 Millionen Zertifikaten. Das kann einfach nicht sein; das funktioniert nicht. Das ist eine weitere Bankrotterklärung. Da kann man nur noch baff sein. Schließlich sollte der Emissionshandel das wichtigste Klimaschutzinstrument sein. Ich sage Ihnen: Er hat absolut versagt. Die Dimension dieses Totalversagens ist bisher aber noch gar nicht so öffentlich. Wir müssen auch die Bevölkerung darüber aufklären, was hier wirklich passiert. (Beifall bei der LINKEN)

Vor dem Hintergrund der deutschen Entwicklung bekommen diese EU-Bankrotterklärungen wirklich ein besonderes Geschmäckle. Denn Deutschland verabschiedet sich selbst von den Klimazielen; wir haben es ja gehört, Herr Pfeiffer. Die Bundesregierung tut eben nichts, um die dramatische Entwicklung der Kohleverstromung in Deutschland aufzuhalten. Mit hoffnungsvollen Augen hat man im Ausland auf die deutsche Energiewende geblickt. Sie war bislang ein Modell mit Vorbildfunktion; „Energiewende“ ist ein Wort, das auch im Ausland verwendet wird. Doch die Chance der Erneuerbaren, wegzukommen von monopolistischen Kohle- und Atomkonzernen, hin zu kommunalen Stadtwerken, zur Bürgerenergie, wird gerade verzockt.

Ich sage Ihnen: Die massive Kohleverstromung ist nicht der Preis, zu dem wir die Erneuerbaren haben wollten. Das ist Konsens in der Bevölkerung; das wollen die Menschen nicht. Das ist auch nicht nur ein Wermutstropfen beim Ausbau der Erneuerbaren. Das ist eine völlig verfehlte Politik, eine Politik, die vor der Kohlelobby einknickt. Denn während Kohle so billig ist wie nie und die Klimaziele in weite Ferne rücken, sind klimafreundlichere Gaskraftwerke nicht konkurrenzfähig. Wer will ein solches Modell dann in Europa anpreisen?

Die Energiewende soll ausgebremst werden, und dadurch soll die Kohleverstromung weiter gestärkt werden. Deshalb fordern wir ein nationales Kohleausstiegsgesetz. Wir wollen uns dabei unter anderem an Großbritannien orientieren. (Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb machen Sie in Brandenburg schon mal neue Tagebaue!)

Dort wird für jedes Kraftwerk ein festes CO2-Budget festgelegt. (Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch in Brandenburg?)

Somit werden also nicht direkt Kapazitäten begrenzt, sondern produzierte Strommengen. Das ist dringend notwendig. (Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Das würde im Übrigen auch einen erheblichen Teil des Netzausbaus einsparen. Die Proteste werden Ihnen noch große Sorgen machen. Denn die Menschen vor Ort wollen keine Stromleitungen für Kohlestrom, sondern höchstens solche für regenerative Energien. (Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb machen Sie mal ein paar neue Tagebaue in Brandenburg, ja?)

Das ist auch gut so. Es muss diskutiert werden. (Beifall bei der LINKEN – Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist mit dem Tagebau in Brandenburg?)