Rede im Bundestag – 13.11.14
Eva Bulling-Schröter vergleicht die Aussagen des heutigen Bundeswirtschaftsministers Gabriel zur Kohlepolitik mit den Aussagen seines Amtsvorgängers Rösler zum Atomausstieg. Sie fordert ihn auf, keine Ängste vor der Energiewende zu schüren und warnt vor den massiven Folgekosten der Kohleverstromung für Mensch und Umwelt.
Rede am 13.11.2014 zur Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Unterschiedliche Auffassungen in der Bundesregierung zur Abschaltung von Kohlekraftwerken und zum Erreichen der Klimaziele“
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Dezember 2007 hat Umweltminister Gabriel bei der UN-Klimakonferenz in Bali das 40-Prozent-Ziel verkündet. Er hat eine wirklich gute Rede gehalten und konnte viele Leute auf der Klimakonferenz begeistern. Er hat über Nachhaltigkeit und zukünftige Generationen gesprochen, und er bekam viel Applaus. Dann kam die Debatte über die Verlängerung der AKW-Laufzeiten in der letzten Legislatur. Auch der Oppositionsführer Gabriel hat sich echauffiert. Ich lese Ihnen das einmal vor:
Sie schüren Ängste in Europa. Sie treiben die Antieuropäer in die Parlamente und in die Regierungen. Europa braucht wieder Hoffnung, und erneuerbare Energien bringen Hoffnung und Arbeitsplätze in Deutschland und in ganz Europa.
Gut, kann ich da nur sagen.
(Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil (Peine) (SPD): Ja, stimmt auch!)
Jetzt sind wir in dieser Woche. In dieser Woche gab es den dena-Kongress, den Kongress der Deutschen Energie-Agentur.
(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Super Auftritt!)
‑ Das war ein super Auftritt, sagt der SPD-Kollege. – Greenpeace hat demonstriert, wie ich finde, sehr gut an dieser Stelle. Meine herzliche Gratulation.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Es geht um den Kohleausstieg. Es geht um die CO2-Reduzierung um 40 Prozent, die wirklich erreichbar sein sollte. Ich sage als linke Abgeordnete: Wir haben schon zweimal einen Antrag zum Kohleausstieg in dieses Plenum eingebracht. Wir stehen dahinter.
(Dirk Becker (SPD): Für das Jahr 2040! Nicht 2020!)
Es geht auch um den Bericht des IPPC, der zum x-ten Male sagt: Klimaerwärmung ist menschengemacht. Es ist eigentlich schon fünf nach zwölf, und wir müssen heraus aus den fossilen Energien. Was sagt Herr Gabriel? Arbeitsplätze in Gefahr, Versorgungssicherheit in Gefahr, Industriestandort Deutschland in Gefahr, die Bezahlbarkeit von Strom in Gefahr.
(Zuruf von der CDU/CSU: Da hat er recht!)
Ich kann Ihnen sagen: Das hätte Rösler in der letzten Legislatur genauso sagen können. Da gibt es keinen Unterschied.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe mir die Rede im Internet wirklich angeschaut.
(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Aber nicht verstanden! – Gegenruf der Abg. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war nicht so schwer!)
Ich habe mich auch nicht gewundert, dass vorher ein Werbefilm einer Erdölfirma anzusehen war. Das war natürlich reiner Zufall.
Da fallen dann solche Worte wie „blauäugiger Ökopopulismus“ oder „Illusion der Energiewendepropaganda“. Ich frage mich dann: Wie kommt er dazu, Befürwortern eines geordneten Kohleausstiegs die Fähigkeit abzusprechen, zu differenzieren? Ich sage Ihnen: Niemand will den sofortigen Ausstieg aus der Kohleenergie. Das ist eine Unterstellung.
(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Hört! Hört!)
Wenn Sie unsere Anträge lesen, dann stellen Sie fest, dass da etwas von 2040 steht. Wenn Sie die Greenpeace-Programme lesen, dann stellen Sie fest, dass auch dort nichts von einem sofortigen Ausstieg steht.
(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Von 2020 steht gar nichts!
Es ist vielmehr von einem geordneten Kohleausstieg mit übertragbaren Laufzeiten die Rede. Sie sollten das einmal lesen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie sprechen von Arbeitsplätzen, um die es Ihnen gehe. Um die geht es auch uns. Dazu kann ich Ihnen Folgendes sagen: Vor meiner Bundestagszeit war ich Betriebsrätin in einer Metallfirma. Ich habe nämlich Schlosserin gelernt. Ich kann Ihnen sagen: Damals hatten die Kollegen auch ab und zu Angst. Es gab Entlassungen. Ich kann die Angst nachvollziehen. Nur, ich habe in der Zeit, als ich auf einer Gewerkschaftsschule war, gelernt: Verpasster Umweltschutz vernichtet Arbeitsplätze. Bitte, meine Kolleginnen und Kollegen, schreiben Sie sich das hinter die Ohren.
Ich weiß auch, dass Konversionspläne nicht so einfach zu erfüllen sind. Das ist doch kein Geheimnis. Ich denke, wir sollten anfangen und wir sollten Gelder in solche Konversionspläne stecken. Wir brauchen Regionalpläne, und wir brauchen keine Verschiebung des Strukturwandels. Der kommt, ob wir wollen oder nicht. Aus diesem Grund sage ich: Wir müssen jetzt etwas tun.
Herr Gabriel hat das Allgemeinwohl beschworen. Zum Allgemeinwohl gehören ja auch Kosten. Es gibt eine neue Studie der EU, für die Herr Oettinger verantwortlich ist. Diese Studie besagt: 140 Euro pro Megawattstunde aus Kohle sind die Folgekosten für Mensch und Umwelt. 86 Milliarden Euro an europaweiten Folgekosten entstanden im Jahr 2012 aus der Kohleverstromung zusätzlich. Diese Folgekosten tragen alle. Das Ganze geht auf Kosten des Klimas. Deshalb brauchen wir definitiv ein gutes Aktionsprogramm Klimaschutz. Es kann uns wirklich nicht egal sein, was am anderen Ende der Welt mit Klimaflüchtlingen, mit Menschen, die demnächst absaufen werden, die aufgrund des Klimawandels verhungern werden, passiert. Ich wiederhole: Das kann uns allen nicht egal sein. Ob Sozialisten, Sozialdemokraten, Grüne oder Christen: Wir haben eine Verantwortung, und dieser Verantwortung müssen wir endlich gerecht werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)