Beim Weiter-so wird Klimaziel verfehlt

Rede am 03.12.2015 zum TOP 4 Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNISS 90/DIE GRÜNEN Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 Drs. 18/5489, Drs. 18/6763

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Klimaschutzbericht 2015 Drs. 18/6840

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Göppel hat Papst Franziskus zitiert, ich möchte das auch tun. Papst Franziskus sagt auch: Dieses System tötet. – Im Klimawandel macht dieses System das schon, und wir wollen verhindern, dass noch mehr Menschen am Klimawandel sterben.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist genau ein Jahr her, dass das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz verkündet wurden. Es gibt jetzt eine Große Anfrage der Grünen, und ich sage Ihnen: Irgendwie ist die Antwort wenig ergiebig ausgefallen. Jetzt müssen wir uns fragen: Hat die Bundesregierung ihre eigenen Ziele erreicht oder sie auf einen guten Weg gebracht? Und was ist aus den Sofortmaßnahmen bei der Energieeffizienz geworden?

Ich denke, wir können ein Zwischenzeugnis ausstellen. Für die Linke sage ich nur: Sehr mangelhaft, da muss noch vieles nachgebessert werden. Denn Sie haben nur etwa die Hälfte der Maßnahmen des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 und ebenfalls nur etwa die Hälfte der Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz erreicht oder auf den Weg gebracht. Damit ist die Bundesregierung eben nicht die Musterschülerin, als die sie sich immer darstellt.

Wenn wir uns die Klimaschutzlücke anschauen, dann müssen wir zur Kenntnis nehmen: Es sind nur ein Viertel der geplanten Einsparungen auf dem Zielpfad. Dies zeigen uns zum Beispiel die Zahlen des Fraunhofer-Instituts.

Mit jedem Jahr, mit dem wir näher an das Jahr 2020 heranrücken, wird die Zeit knapper. Die Zeit läuft uns davon, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Anstrengungen müssen vervielfacht werden, wenn die Bundesregierung das Klassenziel der Treibhausgasreduzierung um 40 Prozent noch erreichen will.

Die Experten, die vor zwei Wochen den Monitoring-Bericht „Die Energie der Zukunft“ kommentiert haben, haben dieses Mal ungewöhnlich deutliche Worte gefunden. Sie sehen das 40-Prozent-Ziel erheblich gefährdet, und sie machen deutlich, dass die Anstrengungen in der verbleibenden Zeit verdreifacht werden müssen. Die schlimmsten Versäumnisse liegen im Verkehrsbereich. Darauf wird meine Kollegin Sabine Leidig noch eingehen.

Der größte Rückschlag bei diesen ganzen Aktivitäten ist für mich nach wie vor das Scheitern der steuerlichen Förderung bei der energetischen Gebäudesanierung. Dafür hätte 1 Milliarde Euro bereitgestellt werden sollen. Das allein hätte 12 Prozent der drohenden Klimaschutzlücke schließen können, und das ist nicht nichts; das ist ziemlich viel. Das daraufhin von Ihnen ins Spiel gebrachte „Anreizprogramm Energieeffizienz“ ist im Vergleich dazu mit seinen 165 Millionen Euro, mit Verlaub, ein Witz.

Die Experten sagen:

Ohne zusätzliche Maßnahmen ist somit die Zielverfehlung absehbar. Für das Jahr 2020 kann die Deckungslücke auf bis zu 90 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und für 2030 auf rund 150 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente veranschlagt werden.

Das können Sie auf Seite 116 der Stellungnahme nachlesen. Schauen Sie sich das an! Sie müssen etwas tun.

Ich meine, wir brauchen eine Regulierung. Andere europäische Länder machen uns das vor: Dänemark ist mutiger und konsequenter. Während dort seit 2013 Ölheizungen im Neubau und ab 2016 auch im Altbau verboten sind, ist bei uns nichts dergleichen in Sicht. Natürlich müsste man ein solches Verbot sozial abfedern, aber es wäre eine gute und effektive Maßnahme, um sich von den 5,2 Millionen Ölheizkesseln in Deutschland zu verabschieden.

(Beifall bei der LINKEN)

An dieser Stelle möchte ich die Umweltministerin einmal loben. Sie hat keine Zugeständnisse bei der Energieeinsparverordnung aufgrund des Wohnraumbedarfs für Flüchtlinge gemacht, wie es verschiedentlich gefordert wurde. Das ist begrüßenswert, und das unterstützen wir auch.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber es gibt große Defizite bei der Effizienzstrategie Gebäude, vor allem bei öffentlichen Gebäuden. Dazu ist uns mitgeteilt worden, dass Ende des Jahres ein Sanierungsfahrplan vorliegen soll. Jetzt wird den Grünen gesagt, dass er nächstes Jahr kommt. Also bitte, da müssen Sie jetzt endlich nachsteuern, und Sie müssen bei den öffentlichen Gebäuden etwas tun. Das schreibt auch die EU-Energieeffizienzrichtlinie vor. Tun Sie also etwas! Bei Bundesliegenschaften ist das ganz, ganz wichtig.

Jetzt kommen wir zur größten Enttäuschung – für mich war es auch eine persönliche Enttäuschung -: Sie schenken den Konzernen Geld dafür, dass sie ihre Kohlekraftwerke abschalten. Dabei geht es um 230 Millionen Euro pro Jahr.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ehrlich?)

– Ja, ehrlich. Vielleicht können Sie nicht rechnen. Aber lassen Sie sich dazu informieren, wenn Sie nicht Bescheid wissen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Es geht noch weiter mit der Unterstützung der Konzerne RWE und Eon,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist ja Wahnsinn!)

Stichwort „Nachhaftungsgesetz“. Ihre Fraktion hat bisher verhindert, dass dieses Gesetz durch den Bundestag kommt. Sie müssen gar nicht lachen. Sie sind einer derjenigen, der die Konzerne richtig pusht, und die Leute vor Ort müssen das bezahlen. Glauben Sie doch nicht, dass sie doof sind! Sie sprechen uns darauf an und fragen: Was macht ihr da überhaupt in Berlin? Ihr braucht gar nicht mehr abzustimmen; das machen die Konzerne für euch. – Und die KfW vergibt weiter Kredite für Kohlekraftwerke.

Vizepräsident Peter Hintze:

Frau Kollegin, apropos Abstimmung: Die Redezeit ist überschritten.

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Das ist eine Politik für die Konzerne. Das muss anders werden.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Weiter, weiter, weiter! Super!)

Eine breite Mehrheit der Bevölkerung will das auch anders. Sie will es nicht mehr so wie Sie.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))