Das „Schweine-System“ hat versagt

Rede am 28.09.2016 ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ” Konsequenzen aus nicht tragbaren Verhältnissen in Tierställen “

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich gut an 2002 erinnern, als wir hier in diesem Hause den Tierschutz im Grundgesetz verankert haben, und ich weiß noch, wie wir darum gerungen haben; denn die CDU/CSU wollte das ja absolut nicht. Kurz danach kam aber die Bundestagswahl, und dann hatte man doch entschieden, dass man das tun sollte. Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass der Tierschutzbund draußen ein großes Grundgesetz aufgestellt hatte. Wir haben gefeiert und waren ganz froh.

Der Tierschutzbund hatte sich an der Initiative Tierwohl beteiligt, einer Initiative der Landwirtschaft, der Fleischwirtschaft und des Lebensmitteleinzelhandels, und viele von uns dachten: Da wird etwas besser. – Inzwischen ist der Tierschutzbund aber wieder aus der Initiative herausgegangen,

(Dieter Stier (CDU/CSU): Falsche Entscheidung! – Rita Stockhofe (CDU/CSU): Schade!)

weil er ein Zeichen setzen wollte, dass es nicht hinnehmbar ist, dass die Möglichkeiten so gering sind.

Auch Panorama hat ein Zeichen gesetzt, und ich habe jetzt schon das Panorama-Bashing gehört. Es geht um Agrarfunktionäre; es geht nicht um irgendjemanden.

(Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Ja!)

Es geht darum, dass man nicht den Bock zum Gärtner machen darf und dass sie eine Vorbildfunktion haben müssten, sie aber offensichtlich nicht haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aus diesem Grund gilt meine große Anerkennung den Undercover-Filmern und den Tierrechtsaktivisten;

(Dieter Stier (CDU/CSU): Hört! Hört! So haben Sie es in der DDR immer gemacht! – Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): Frechheit!)

denn diese Transparenz brauchen wir, und ich halte es für richtig und wichtig, diese Verhältnisse aufzudecken.

(Beifall bei der LINKEN)

Nachdem ich mir angehört habe, was Herr Stier alles zum Recht gesagt hat, kann ich Ihnen nur ein Urteil zitieren. In diesem Urteil wurde das Leid von Schweinen als gewichtiger Notstand gewertet, und alle Tierrechtsaktivisten wurden freigesprochen. Und da können Sie natürlich Gerichtsbashing betreiben.

Ferner höre ich: Das öffentlich-rechtliche TV hat diese Aufgabe nicht. – Da haben Sie Demokratie falsch verstanden. Wir wollen definitiv Aufklärung.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dieter Stier (CDU/CSU): Da müssen sie beide Seiten fragen!)

Stichwort Rechtsstaat: Wenn das TV das nicht mehr bringen und keine Aufklärung betreiben darf – wir finden es richtig, dass es das tut -, dann landen wir bei ungarischen Verhältnissen. Wollen Sie das?

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

Foto: Karin Jung / pixelio.de

Foto: Karin Jung / pixelio.de

Jetzt reden wir über die Ursachen. Es gibt ein weiteres Dumping bei Fleischpreisen. Wenn wir uns die Arbeitsverhältnisse in den Schlachtereien anschauen – das kommt immer wieder -, dann sehen wir, dass dort osteuropäische Arbeiter unter miesesten Bedingungen arbeiten. Bis jetzt ist in dieser Sache noch nicht viel passiert – auch nicht gegen die Dumpingpreise.

Wir haben gehört: Die Bäuerinnen und Bauern stehen dazwischen. – Es stimmt, dass sie dazwischenstehen. Aber was machen Sie denn als Bundesregierung? Nichts! Sie lassen sie im Regen stehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Wettbewerb wird immer brutaler, und die Discounter tragen ihn auf dem Rücken der Bäuerinnen und Bauern aus. So geht es nicht weiter.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann Ihnen sagen: Ich war auf einem Bauernhof bei mir in der Region in Bayern. Der Bauer hatte 50 Kühe. Die hat er jetzt verkauft, weil er davon nicht mehr leben konnte.

(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Ich habe das fotografiert, und er hat geweint. – Das ist das, was man den Menschen antut. Das ist die Verunsicherung der Bäuerinnen und Bauern, Frau Mortler.

Was erwarten jetzt die Menschen? Wir erwarten, dass es endlich Tierschutzgesetze gibt, die so etwas nicht zulassen.

(Dieter Stier (CDU/CSU): Gibt es heute schon!)

Es darf keine freiwilligen Vereinbarungen mehr geben, sondern vernünftige Gesetze müssen her. Wir erwarten, dass wir wirklich durchgreifen und nicht dem Druck weichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe gehört, dass sich einige umgebracht haben – es gibt sogar Selbstmorde -, weil sie den Druck nicht mehr ausgehalten haben. Vor die muss man sich stellen, und die muss man schützen. Die Länder müssen mehr Geld zur Verfügung stellen, damit systematisch kontrolliert wird.

Wir wollen nicht immer mehr und immer billigeres Fleisch. Wir brauchen auch nicht immer mehr Exporte, sondern wir wollen gesunde Lebensmittel.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Mehrheit der Bevölkerung will gesunde Nahrungsmittel, ohne fürchten zu müssen, dass sich durch den Verzehr von Fleisch Antibiotikaresistenzen einstellen könnten, sodass sie vielleicht im Krankenhaus keine Chancen mehr haben. Wir wollen keine Gentechnik. Wir müssen das Verhältnis Mensch-Tier neu diskutieren. – Ja, Mensch, wo ist denn die Empathie von Ihnen allen?

Wir brauchen bessere Gesetze und Kontrollen. Wir brauchen natürlich auch ein anderes Verbraucherverhalten. „Geiz ist geil“ funktioniert eben nicht, sondern gute Ware hat natürlich ihren Preis. Ich denke, das müssen auch die Menschen wissen. Das heißt, wie gesagt, wir brauchen ein anderes Verbraucherverhalten, hin zu weniger Fleisch. Ich persönlich bin seit fünf Jahren Vegetarierin.

(Dieter Stier (CDU/CSU): Das ist nicht gesund! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich finde das richtig. Wir brauchen keine neuen und größeren Mastanlagen. Wir müssen auch an den Klimaschutz denken, an den CO2-Ausstoß und den Schutz des Wassers.

Zum Schluss möchte ich noch Pythagoras zitieren, der schon 570 vor Christus gesagt hat:

Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen wieder zurück.

Das war vor wirklich sehr langer Zeit.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))