Klimakonferenz in Paris: Die Mutti der Multis

Foto: Privat

Foto: Privat

Der erste Tag der Klimakonferenz ist vorbei, ein Warm-up der warmen Worte. Die Redeliste der fast 150 StaatenlenkerInnen und Regierungschefs ist lang wie ein ofenfrisches Baguette. Kanzlerin Angela Merkel tritt ans Rednerpult. Die Kohl-Schülerin findet sich in illustrer Gesellschaft. Direkt vor ihr hat Ägyptens Putschpräsident Abdel Fattah El Sisi drei Minuten Zeit für Klimaschutz. Direkt nach Merkel gibt Russlands Wladimir Putin das Umweltlämmchen. Nur wenige Minuten davor wollen Barack Obama und Chinas Xi Jinping »anpacken« und die Erde vorm Klimakollaps retten. Alle, einfach alle wollen das Weltklima retten. »Es gibt hier ein breites Einvernehmen darüber, dass wir den Wissenschaftlern folgen und sagen, dass wir die Erderwärmung nicht mehr als um zwei Grad steigen lassen wollen, bezogen auf die Zeit vor der Industrialisierung«, sagt Merkel. »Ich bin nicht gekommen um zu reden, sondern um zu handeln. Die Zeit zu reden ist vorbei «, verspricht Obama. Hört sich gut an, oder? Nur: Das sind Zitate aus 2009, von der gescheiterten Klimakonferenz von Kopenhagen.

Grillo und das Klima

Derweil stapeln sich bei mir im Bundestagsbüro mal dicke, mal dünne Prospekte der Wirtschaftsverbände. Der Bund der Industrie (BDI) zirpt mit seinem Vorsitzendem Grillo für weltweite Klimaschutz-Anstrengungen. Die Metallbranche scheppert mit einem eigenen COP21-Blog durchs Internet: »Metalle pro Klima«, also mehr Aluminium und Nickel sind die Lösung für die Erderwärmung, lerne ich dazu. Sind alle einer Meinung, sollte man schon stutzig werden. Das sind auch Anti-Lobbyismus-AktivistInnen. Im Netz stellen sie auf, wer eigentlich die Klimaparty in Paris schmeißt.

Vom Autohersteller bis zum Kohleverstromer sind Sponsoren für mehr Klimaschutz (Foto: Screenshot/Corporate Europe)

Vom Autohersteller bis zum Kohleverstromer sind Sponsoren für mehr Klimaschutz (Foto: Screenshot/Corporate Europe)

Wer zahlt, der malt …

Die Bank BNP Paribas zahlt, und ist Frankreichs größter Investor in schmutzige Kohle und Öl. »Engie« klingt wie »Angie«, ist aber der neue Name des in Verruf geratenen Energiemultis GDF Suez, eine der weltweit größten Kohleförderer, auch Suez zahlt. Wichtig : Nur zwölf Energiefirmen weltweit sind für ein Fünftel der Klimagase verantwortlich. Der Autobauer Renault, der Reifenhersteller Michelin, alle großen Namen sind an Bord. 20 Prozent der Konferenzkosten, heißt es bei der französischen Regierung, werden bezahlt von: Den Verursachern des Klimaproblems.

Eine Friedenskonferenz von Heckler&Koch und Lockheed Martin?

Eine Gesundheitskonferenz, gesponsert von McDonalds und Coca Cola? Eine Friedenskonferenz von Heckler&Koch und Lockheed Martin? Auf Klimakonferenzen von Bali bis Warschau erlebe ich diese Schizophrenie seit Jahren. Gewöhnen kann, Nein, will ich mich daran nicht. In der ganzen Stadt werben die Multis mit Öko-Autofahren, Öko-Fliegen, Öko-Öl. Diese Verlogenheit hat auch britische Künstler auf die Palme gebracht. Über 600 Plakate wurden von dem Kollektiv verändert, »Brandalism« ist das, und heilt ein wenig die von der Dauerwerbung geschundenen Augen und Seele.

Die Mär der falschen Nachhaltigkeit

Schon lange, ja zu lange hat sich die organisierte Umweltbewegung von der Mär von der Nachhaltigkeit einlullen lassen. Eine spannende Mail klingelt auf mein Laptop. Der neue Vorsitzende des Deutschen Naturschutzrings Prof. Dr. Kai Niebert hat Klartext gesprochen. Ich lese mir das Skript seiner Antrittsrede durch. Es sei der »größte Fehler der Umweltbewegung« gewesen, eine »Idee von Nachhaltigkeit zu akzeptieren, in der Ökologie, Ökonomie und Soziales scheinbar gleichberechtigt nebeneinanderstehen«. Warum der Einfluss der Multis entgegen ihrer Versprechen nicht gut ist, dazu hat Niebert die Sache auf den Punkt gebracht: »Immer wenn es ernst wird, drängt das Streben nach Wirtschaftswachstum die Umwelt und den Menschen an den Rand.« Besser hätte ich es nicht sagen können. Jetzt müssen wir nur noch was draus machen!

Meinen Klimablog im “Neuen Deutschland” lesen Sie hier.