Tagebuch vom Klimagipfel: Tag 3

In Kopenhagen ist das Chaos ausgebrochen. Nicht nur weil die Verhandlungen feststecken und eine Gruppe von afrikanischen Staaten die Verhandlungen aus Protest gegen die fehlenden Angebote aus den Industriestaaten blockierten. Auch organisatorisch geht die UN-Konferenz in die Knie. Die dänischen Organisatoren hatten über 40.000 Regierungsmitarbeiter, Diplomaten und Vertreter von NGOs und Lobbyorganisationen akkreditiert. Doch – Überraschung nach zwei Jahren Vorbereitungszeit! – nur für 15.000 ist Platz. Im Ergebnis bilden sich vor dem Bella-Center in eisiger Kälte Schlangen von Tausenden, die Einlass begehren. Auch weil am Sonntag das Konferenzzentrum wegen „Instandhaltungsarbeiten“ (!) geschlossen war und so ein Akkreditierungsstau von zwei Tagen abgearbeitet werden muss. Viele geben ihren Akkreditierungsversuch Stunden vollkommen durchgefroren und reichlich entrüstet auf.

Bernd und ich, Uwe, haben Glück. Wir stehen an einer „Nebenschlange“ an einer anderen Seite des Centers, bei der wir nur zwei Stunden warten müssen. Niemand weiß, warum sie existiert, und sie wird auch bald aufgelöst.

Endlich innen angelangt organisieren wir in Absprache mit der Umweltorganisation Germanwatch und der deutschen Delegation für den Folgetag ein Treffen zwischen NGO-Vertretern und dem für Klimaschutz zuständigen Bundestagsabgeordneten der Fraktionen des Bundestags. Letztere reisen gerade alle an. Erstere verfolgen schon seit der Vorwoche die schwierigen Verhandlungen en Detail.

Am Abend zieht es uns zur Freistadt Christiania, auch freie Christiana genannt. Sie ist eine seit 1971 bestehende und oft umkämpfte alternative Wohnsiedlung in der dänischen Hauptstadt. Dort treten am Abend Naomie Klein und Michael Hardt auf. Anschließend soll es eine Party geben. „Soll“, denn plötzlich kreist ein Hubschrauber über dem Gelände, die Polizei macht die Ausgänge aus dem Gelände dicht, dann fliegen Tränengasgranaten. Bewohner der Siedlung errichten Barrikaden, die bald angezündet werden. Wir verschanzen uns gemeinsam mit anderen GipfelteilnehmerInnen in einer Kneipe in der Mitte von Christiana, die meisten bleiben im Veranstaltungszelt. Hier sind sie einigermaßen sicher vor Tränengas und Übergriffen der Polizei. Die geht gegen die Leute an den Barrikaden gewohnt ruppig vor. Festgenommene werden auf den kalten Boden verfrachtet, diesmal aber wenigstens nicht stundenlang dort sitzen gelassen, wie am Rande der Großdemo am Samstag.

Irgendwann steht die Polizei im Kampfmontur am Eingang zu unser Kneipe, wo der Wirt skurriler Weise gerade Weihnachtslieder aufgelegt und seine Gäste aufgefordert hat, zur Deeskalation auf den Boden zu sitzen. Einzeln und nacheinander wird ein Teil der Leute von Polizisten rausgeführt und der Christiana verwiesen. Rund zwei Stunden nach Beginn des Spuks sind wir auch dran. Gegen zwei Uhr morgens sind wir wieder im Hotel.

Hinweis Saurierbild:
Das ist die Auszeichnung „Fossil of the Day“ die täglich um 18:00 Uhr von internationalen Umweltorganisationen an das Land vergeben wird, welches an dem Verhandlungstag besonders gegen den Klimaprozess gearbeitet hat.