Wer die Saat hat, hat das Sagen

Rede am 15.12.2016  ZP 2 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu den Entwürfen für eine Durchführungsverordnung und zwei Durchführungsbeschlüsse der Europäischen Kommission über das Inverkehrbringen von Saatgut zum Anbau der gentechnisch veränderten Maislinien MON 810, 1507 und Bt11 Drucksache 18/10769

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Wochenende gab es die große Demo von 10 000 Menschen hier in Berlin unter dem Motto „Wir haben es satt!“.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch schön, dass die Menschen satt sind! Dafür sollten wir mal denen Danke sagen, die dafür gesorgt haben!)

Was haben die Menschen gesagt? Sie wollen eine Beendigung des Tierleids, sie wollen keine Gentechnik und keinen Genfraß – und zwar mit einer Mehrheit in Europa, in Deutschland und in Bayern. Leider ist Landwirtschaftsminister Schmidt jetzt nicht da, wahrscheinlich ist er auf der Grünen Woche, aber er sollte auch einmal auf seine Wählerinnen und Wähler hören.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Das tut er ja die ganze Zeit!)

Ab und zu ist er ja sehr zögerlich,

(Max Straubinger (CDU/CSU): Das ist richtig!)

und so, wie ich die CSU in Bayern kenne, ist diese nicht immer so zögerlich und zimperlich gegenüber der EU. Aber in diesen Fragen, so sagt man auf Bayerisch, ziehen Sie den Schwanz ein.

(Heiterkeit)

Beim Europäischen Patentamt gibt es inzwischen Bierpatente. Gerste aus konventioneller Züchtung wird hier patentiert. Ich würde gern einmal wissen, was die CSU dazu sagt. Dazu gibt es keine Position.

Jetzt wurde ein Gentechnikgesetz versprochen. Der Bundesrat hat dazu Stellung bezogen und einen Vorschlag gemacht, die Grundlage der Opt-out-Regelung. Sechs Ministerien sollen Einvernehmen erzielen. – Als wenn sich sechs Ministerien einmal einigen könnten!

(Max Straubinger (CDU/CSU): Die Linke kann sich auch nicht einigen!)

Foto: Christian Beuschel / pixelio.de

Foto: Christian Beuschel / pixelio.de

In 45 Tagen funktioniert das nicht. Alle Sachverständigen haben gesagt: Es ist so nicht umsetzbar, es gibt viele Gefahren.

Jetzt frage ich mich – und viele unserer Wählerinnen und Wähler, und zwar alle, fragen auch -: Warum wird das nicht umgesetzt? Warum diskutiert ihr das? Warum diskutiert ihr das immer wieder, und warum kommt nichts heraus? Und ich kenne viele Diskussionen.

Dann gibt es eine Antwort darauf, die heißt: Lobby. Das verstehen die Leute, überall. Es sind natürlich die Konzerne, die hier Einfluss nehmen. Ich nenne sie einmal: DuPont, Dow Chemical, Bayer und Monsanto, ChemChina und Syngenta. Die lassen natürlich auch Studien erstellen, die Sie dann immer zitieren. Wir zitieren dann die Studien von den Umweltverbänden.

Aus sechs Konzernen werden drei, und deren politischer Einfluss steigt; denn wenn es nur noch drei große Konzerne sind, dann steigt der Einfluss natürlich. Das sehen wir ja auch heute wieder, nämlich bei der Entscheidung, nicht abstimmen zu wollen. Das ist die Entscheidung der Konzerne.

Drei Konzerne werden mehr als 60 Prozent des Marktes für kommerzielles Saatgut und Agrochemikalien beherrschen, das heißt, fast alle gentechnisch veränderten Pflanzen auf diesem Planeten werden von diesen Konzernen hergestellt. Diese drei haben auch die meisten Anmeldungen für das Eigentum an Pflanzen beim Europäischen Patentamt vorgenommen.

Einer dieser neuen Giganten ist Bayer-Monsanto, der größte Agrokonzern der Welt. Ein Drittel des kommerziellen Saatguts und ein Viertel der Pestizide auf dem globalen Markt werden dann von diesem großen Konzern hergestellt.

Ich nenne nur das Stichwort „Glyphosat“; wir haben darüber diskutiert. Die Mehrheit der Menschen in diesem Land lehnen Glyphosat ab; sie wollen es nicht. Trotzdem wird es bei der EU wieder genehmigt, und Deutschland hat dort auch mit Ja gestimmt.

Bayer kauft Monsanto für 66 Milliarden Dollar, ChemChina bezahlt für Syngenta 43 Milliarden Dollar. Sie sind den Aktionären rechenschaftspflichtig. Die Unternehmen haben Kredite für diese Käufe aufgenommen, das heißt, sie müssen Gewinne machen. Sie müssen das Geld jetzt wieder hereinbringen.

Das Potenzial der globalen Agrarmärkte steigt natürlich, wenn entsprechende Beschlüsse gefasst werden. Bayer schätzt, dass der Umsatz bei Saatgut und Pestiziden von 85 Milliarden Dollar in 2015 auf 120 Milliarden Dollar in zehn Jahren steigen wird. Dafür müssen die Gesetze natürlich entsprechend verändert werden.

Das Ziel dieser großen Agrokonzerne ist, Produkte zu beeinflussen und Preise sowie Qualitäten zu diktieren, unter dem Motto: „Wer die Saat hat, hat das Sagen“ – und das global. Das ist hier das Interesse.

Zwei Sätze noch an die Kollegen der CDU/CSU: Der Präsident des Bauernverbandes, der Ihnen ja sicher näher steht als uns, den Linken,

(Artur Auernhammer (CDU/CSU): Das ist gut so!)

sagt: Wir fordern Sicherheit für ganz Deutschland; wir wollen keinen Flickerlteppich. – Inzwischen fordert auch der Bauernverband ein Verbot der Agrogentechnik. Sie sollten sich wenigstens an die halten, wenn Sie sich schon nicht an uns halten.

(Beifall bei der LINKEN – Artur Auernhammer (CDU/CSU): War das eine Lobbyismus-Forderung, oder was?)

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Ute Vogt.

(Beifall bei der SPD)

Rede zur Geschäftsordnung

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es eigentlich? Morgen soll über die EU-Zulassung gentechnischer Pflanzen abgestimmt werden – in einer nichtöffentlichen Sitzung von Ministerialbeamten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel. Ich wiederhole: Die Sitzung ist nichtöffentlich. Es geht um drei Maislinien: MON 810 von Monsanto, MON 1507 von Dow/DuPont und um Bt 11 von Syngenta.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Wir sind in einer Geschäftsordnungsdebatte!)

Was passiert hier? Bakterielles Insektengift wird durch diese Pflanzen produziert. Dass dadurch natürlich nicht nur die schädlichen Insekten kaputtgehen, sondern auch die anderen, das ist aus sich verständlich.

Seit dem Vertrag von Lissabon gibt es dazu keine Beschlüsse des Rates der EU in öffentlichen Sitzungen, sondern es gibt nur Beschlüsse von Ministerialbeamten in nichtöffentlichen Sitzungen.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Zur Geschäftsordnung!)

Schon am 6. Oktober 2016 hat das Europäische Parlament in drei Entschließungen dieses abgelehnt und die Kommission aufgefordert, die Vorschläge zurückzuziehen.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Zur Geschäftsordnung! Nicht inhaltlich!)

– Ich rede zur Tagesordnung: Ich erkläre, warum wir, die Linke, den Antrag der Grünen unterstützen. Wir halten ihn für sinnvoll.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb fordern auch wir, direkt über den Antrag der Grünen abzustimmen.

Ich bin ganz erstaunt, wie sich die Kolleginnen und Kollegen, auch die von der SPD, hier echauffieren. Ich bin schon fast 20 Jahre im Bundestag und muss Ihnen sagen: Auch als Sie in der Opposition waren, haben Sie Anträge dreimal gestellt. Damals haben sich die anderen aufgeregt.

(Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, ist ja unglaublich! Habt ihr das vergessen?)

Mich wundert das schon ein bisschen.

Natürlich sagen Sie: Wir können dem nicht zustimmen, weil wir im Koalitionsvertrag Verpflichtungen eingegangen sind usw. Aber fragen Sie doch die Menschen auf der Besuchertribüne: Auch die wollen, dass es um die Sache geht. – Leider darf ich die Menschen auf der Besuchertribüne nicht fragen: Wer ist gegen die Gentechnik? Wer ist dafür, dass die Bundesregierung morgen auf EU-Ebene gegen die Gentechnologie stimmt? – Leider dürfen die Menschen auf der Besuchertribüne nicht abstimmen. Wenn sie es machten, bekämen sie Ärger; aber wir können es ja einmal probieren.

Insofern bin ich der Meinung, Sie sollten über Ihren Schatten springen und wir sollten direkt über den Antrag der Grünen abstimmen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen nämlich Parlamentarismus, wie ihn sich die Menschen draußen wünschen. Sie fragen: Warum stimmen die einen so und die anderen so, wenn sie doch einer Meinung sind? Keiner kann das mehr erklären.

Noch etwas zu dem unsäglichen Lobbyismusvorwurf; es hat mich besonders verärgert,

(Zuruf von der CDU/CSU: Och!)

dass er gegenüber Ökoverbänden, dem Naturschutzbund Deutschland usw. geäußert wurde.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Aber natürlich!)

Natürlich stehen auch wir hinter den Bäuerinnen und Bauern, und natürlich wissen wir, dass sie uns satt machen; das ist doch überhaupt keine Frage. Im Gegenteil: Wir wollen die Bauern vor den großen Konzernen und Ihrer unsäglichen Politik schützen, damit sie überleben können

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und nicht auch so fertiggemacht werden wie die Bauern in Indien, die sich dann umbringen.

Es bestünde also heute die Möglichkeit, zu sagen: Wir wollen gemeinsam etwas erreichen. Die Mehrheit unserer Wählerinnen und Wähler will das. Aus diesem Grund stimmen auch wir für diesen Antrag.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)