Ökostromumlage: Industrieprivilegien beschneiden

Rede im Bundestag – 17.01.2014

Zusatzpunkt 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Europarechtskonforme Regelung der Industriever­günstigungen auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb begrenzen und das EEG als kosteneffizientes Instrument fortführen Drucksache 18/291

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die deutschen Strompreise machen die Industrie kaputt – das ist Realität ‑, allerdings nicht die Industrie in Deutschland, sondern die in Holland. Die Wirklichkeit für etliche deutsche Unternehmen schaut so aus, dass der Industriestrompreis in Deutschland überaus niedrig ist. Einer niederländischen Aluminiumhütte hat er gerade die Geschäftsgrundlage geraubt. Jetzt frage ich Sie: Wollen Sie das? ‑ Ihre Krokodilstränen führen da einfach zu nichts.

Deutsche Aluhütten haben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ausländischen ‑ kein Wunder; denn sie profitieren von den gesunkenen Großhandelspreisen für Strom. Das nennt man Merit-Order-Effekt. Das ist eine Folge des EEG-Einspeisevorrangs für Ökostrom. Für diejenigen, die nicht aus dem Fach kommen: Das heißt einfach, dass die teuren Kraftwerke vom Netz genommen werden und dann an der Börse der Strompreis sinkt; das wird natürlich nicht an die Verbraucher weitergegeben.

Jetzt kommen wir zu den Industriestrompreisen, über die Sie gestritten haben. Die liegen heute nur noch bei 3,6 Cent je Kilowattstunde, in den Niederlanden dagegen bei 5 Cent je Kilowattstunde und im Atomstromland Frankreich immer noch bei 4,3 Cent je Kilowattstunde. Inzwischen liegen wir bei den Strompreisen im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern im unteren Drittel. Die deutschen stromintensiven Unternehmen sind weitgehend von der EEG-Umlage befreit. Darüber streiten wir ja andauernd. Die EEG-Umlage finanziert Windkraft und regenerative Energien. Die privaten Endkunden und die kleinen Unternehmen blechen für die Ausfälle bei der Großindustrie. (Jens Koeppen (CDU/CSU): Märchen!)

Wir halten das weder für sozial akzeptabel noch für ökologisch. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bareiß, wenn Sie sagen: „Das fördert Wachstum und Wohlstand“, dann müssen Sie auch sagen, welchen Wachstum und welchen Wohlstand. Ich habe mich neulich mit einem Großbäcker aus meiner Region unterhalten. Er wählt Ihre Partei; ich glaube, er ist sogar Mitglied Ihrer Partei. (Thomas Bareiß (CDU/CSU): Er weiß, warum! – Jens Koeppen (CDU/CSU): Guter Mann! – Dr. André Hahn (DIE LINKE): Dann ist er aber selber schuld!)

Ich habe ihn gefragt, ob auch er diese EEG-Ermäßigung bekommt. Er hat mich nur ausgelacht; ich verstehe zwar nicht, warum er dann Ihre Partei wählt. Er hat mir gesagt, er hätte diese Ermäßigung sehr gerne.

Das EEG ist für die stromintensiven Unternehmen eine Goldgrube. Der Merit-Order-Effekt an der Strombörse ist mit rund 0,6 bis 1 Cent je Kilowattstunde – das wird eingespart – um ein Vielfaches höher als die zu zahlende Miniumlage von 0,05 Cent. Das heißt, die Unternehmen verdienen leistungslos Geld durch die Energiewende. Das kennen wir ja schon vom Emissionshandel, Stichwort: Windfall Profits. Sie haben die Zertifikate damals kostenlos bekommen, haben sie eingepreist, und die Stromkunden haben das bezahlt. So ist es jetzt auch beim EEG. Ich sage Ihnen: So fahren Sie die Energiewende an die Wand. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt kommen wir zum Stichwort Arbeitsplätze. Uns wurde in der letzten Legislaturperiode aufgrund unseres Antrages vorgeworfen, wir wollten die Unternehmen kaputtmachen. Das wollen wir natürlich nicht. Auch wir wollen gute, zukunftssichere Arbeitsplätze. Deshalb muss man genau hinschauen. Man muss schauen, welche Unternehmen im internationalen Wettbewerb sind. Wir haben das in unserem Antrag genau geschildert. Nicht alle Unternehmen konkurrieren mit Firmen, die an keinem Zertifikatehandel teilnehmen, die kein EEG in ihrem Land haben. Für mich ist das wie eine heilige Kuh: Sobald man dieses Thema anspricht, springen Sie auf und rufen: „Arbeitsplätze!“. Natürlich geht es um Arbeitsplätze, aber es geht auch um Fairness, und die sehe ich hier in keinster Weise gegeben. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE  GRÜNEN)

Wer bekommt nun diese Subventionen? Zum Beispiel Braunkohletagebaue sind von der Zahlung befreit, und das spricht Bände. Das sind schlicht unberechtigte Subventionen – das sage ich hier als Linke -, Subventionen ausgerechnet für die schmutzigste Stromerzeugung. (Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das freut den Wirtschaftsminister der Linken aber!)

– Das freut mich, wenn es ihn freut. – Kurz gesagt: Die Mindestzahlung an EEG-Umlage dürfte niemals niedriger sein als der strompreissenkende Merit-Order-Effekt an der Börse. Ansonsten verwandelt sich das EEG in eine Gelddruckmaschine für die stromintensive Industrie.

Wir haben schon in der letzten Legislaturperiode gewarnt. Die damalige Koalition hat gesagt: Wir überprüfen das. – Passiert ist nichts. Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen, und nun wird genau geprüft. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Wenn wir wollen, dass das EEG weiterläuft, dass wir mehr regenerative Energien haben, dann müssen wir natürlich etwas tun, und dann muss das EU-konform geregelt werden. Ich bin mir aber nicht sicher, dass Sie das wollen. Wenn ich aus Bayern höre, dass man dort zum Beispiel überlegt, die AKWs wieder länger laufen zu lassen und die Abstandsflächen für Windräder so groß zu machen, dass nur noch 0,5 Windräder errichtet werden, dann zweifle ich daran, dass Sie wirklich mehr regenerative Energien wollen. Sie müssen das beweisen, und es muss auch für die kleinen Leute bezahlbar sein. Das heißt natürlich, dass die Kosten auch auf die Großindustrie umgelegt werden müssen. Dafür stehen wir.

Ansonsten werden wir Ihrem Antrag zustimmen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)