Neuer Strommarkt: Milliarden-Geschenk an die Braunkohle

Rede am 23.06.2016 ZP

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz)

Drucksache 18/8920

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss)

Drucksache 18/8915

Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 98 der Geschäftsordnung

Drucksache 18/8920

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunft des Strommarktes – Mit ökologischem Flexibilitätsmarkt klimafreundliche Kapazitäten anreizen und Kohleausstieg einleiten

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Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ein Wort zum Verfahren. Staatssekretär Baake hat am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss das Strommarktgesetz als die wichtigste Reform seit der Liberalisierung bezeichnet,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und die war 1998. Herr Saathoff hob, wie auch heute, hervor: Es habe kaum ein Gesetz mit einem solch umfangreichen Konsultationsverfahren gegeben.

(Johann Saathoff (SPD): Richtig!)

Ich frage mich nur: Wo bleibt das Parlament an der Stelle, an der es spannend wird?

(Zuruf von der SPD: Sie waren doch dabei im Ausschuss! – Johann Saathoff (SPD): Auch das Parlament darf ein Grünbuch lesen!)

Wir erhielten den 36-seitigen Änderungsantrag der Koalition zum Gesetzentwurf am Mittwoch um 08.15 Uhr per Mail. Das war 75 Minuten vor Beginn der Ausschusssitzung, in der der Gesetzentwurf beraten und abgeschlossen wurde.

(Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 75 Minuten früher als beim EEG!)

Meine Damen und Herren von der Koalition, so gehen Sie nicht nur mit der Opposition um, sondern auch mit Ihren eigenen Abgeordneten. Das finde ich wirklich beschämend.

Im Übrigen haben wir jetzt 21.47 Uhr. Die gesamte Debattenzeit für dieses wichtigste Gesetz seit 18 Jahren beträgt schlappe 25 Minuten,

(Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 25 Minuten für ein epochales Werk!)

wo sonst 2 Stunden vorgesehen sind. Darum möchte ich auf unsere Stellungnahme zum Strommarktdesign auf der Webseite www.nachhaltig-links.de verweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Foto: Uwe Schlick / pixelio.de

Foto: Uwe Schlick / pixelio.de

Punkt eins. Aus Klimaschutzsicht versagt der Gesetzentwurf; denn hineingeschafft hat es leider nicht die clevere Klimaschutzabgabe auf Kohlekraftwerke, die vom Wirtschaftsministerium im Frühjahr ins Auge gefasst wurde, sondern die sogenannte Sicherheitsreserve. Mit ersterer hätte Deutschland kluge Klimaschutzpolitik betreiben können, mit letzterer vergolden Sie lediglich uralten Braunkohlekraftwerken die letzten Jahre. Wir reden ja nicht über Peanuts, sondern über 1,6 Milliarden Euro; das ist viel Geld für eine vollkommen unsinnige Braunkohlereserve.

Darum wird „Energiewende absurd“ wohl fortgeführt: Ungebremste Kohlestrommengen trotz permanent wachsendem Ökostrom. Das Ergebnis seit Jahren sind kaum sinkende CO2-Emissionen im Stromsektor. Die 2020-Ziele im Klimaschutz können Sie getrost vergessen. Dafür verstopfen fossile Stromexporte die Netze, die eigentlich zunehmend für den Windstrom benötigt werden, und weil Sie Netzengpässe befürchten, treten Sie nun mit dem EEG 2016 ausgerechnet bei den Erneuerbaren auf die Bremse. Also nicht Kohle wird ausgebremst, sondern die Zukunftsenergien.

(Zuruf von der Linken: Unglaublich!)

Das ist Ihr energiepolitisches Zeugnis zur Sommerpause.

Punkt zwei. Die tatsächlichen Änderungen am Strommarktdesign überlassen Versorgungssicherheit und Flexibilität deutlich stärker dem Markt, als dieser zu leisten vermag. Es bleibt beispielsweise unklar, inwiefern in diesem Strommarkt 2.0 die künftig möglichen kurzzeitigen Preisspitzen an der Strombörse genug Anreize für Investoren liefern, in Gasturbinen zu investieren, unter anderem, weil sich auf solch einer vagen Grundlage nur schwerlich eine Finanzierung aufbauen lässt. Die Risiken und Zusatzkosten werden die Verbraucherinnen und Verbraucher zu tragen haben – wieder einmal.

Punkt drei. In letzter Minute ist eine bundeseinheitliche Regelung der Übertragungsnetzentgelte gestrichen worden. Dabei haben wir inzwischen in einigen ländlichen Regionen Ostdeutschlands um 5 Cent höhere Netzentgelte als in Süddeutschland, wo man sich mit der 10H-Regelung die Energiewende vom Hals hält. Das muss man sich einmal vorstellen: 5 Cent, das ist fast die EEG-Umlage noch einmal obendrauf. Der Norden und der Osten liefern Ökostrom in den bequemen und reichen Süden und zahlen auch noch zusätzlich dafür. Die Koalition verhindert jede Initiative, mit der diese Ungleichheit beendet werden soll.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)