Nachhaltige Arbeitsplätze werden gefährdet, der Kohle-Strukturwandel nicht angepackt, das ist keine zukunftweisende Politik!

Rede am 24.11.2016 zum Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Drucksachen 18/9809, 18/9824

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir stehen vor dem Ende des fossilen Energiezeitalters. Ich denke auch, dass uns allen das eigentlich klar ist. Vielleicht kommt das Ende schneller, als wir es uns, als Sie es sich wünschen.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Das Ende ist nah!)

Einige von Ihnen, die das steinzeitliche Energiezeitalter hinauszögern wollen, sind auf die eine oder andere Art mit der fossilen Energieindustrie verbandelt. Wir sprechen davon, dass viele Menschen vor Ort schlicht und einfach Angst vor dem Wandel haben. Das wissen auch wir; das ist heute schon angesprochen worden. Ich kenne diese Angst. Wir, die Linken, nehmen sie ernst.

(Beifall bei der LINKEN)

Das hat aber auch etwas mit Unwissen und Misstrauen gegenüber Ihrer Politik zu tun. Ich kann mich noch erinnern, dass ich kurz vor meiner Zeit im Bundestag auf einer IG-Metall-Schulung war.

(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Das muss aber lange her sein!)

Da ging es um die Verhinderung bzw. Vernichtung von Arbeitsplätzen durch nicht betriebenen Umweltschutz.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Bestimmt „Verhinderung“! Das passt ja zu Ihnen!)

Heute haben regenerative Energien im Strombereich einen Anteil in Höhe von 33 Prozent.

Ich habe Herrn Gabriel gerade genau zugehört und muss sagen: Natürlich sind uns Jobs wichtig

(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Das merkt man aber an Ihren Entscheidungen nicht!)

– Sie sollten uns nicht immer das Gegenteil unterstellen -, und natürlich wollen wir keine Deindustrialisierung. Aber ich sage an dieser Stelle auch: Wir wollen existenzsichernde Arbeitsplätze. Wir wollen zukunftsfähige Arbeitsplätze. Wir wollen keine Minijobs, und wir wollen nicht solche Jobs, wie es sie bei bestimmten Zulieferern gibt, bei denen alle Beschäftigen Aufstocker sind. Wir wollen so auch Altersarmut verhindern. Ich denke, es gibt genug Möglichkeiten, entsprechende Jobs zu schaffen, gerade im regenerativen Bereich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir über die Entwicklung und das Potenzial der erneuerbaren Energien sprechen, dann sprechen wir wahrscheinlich über die innovativste, wachstumsfreudigste und kreativste Branche, die wir haben. Die Branche der erneuerbaren Energien könnte in den kommenden Jahrzehnten zusätzlich – ich betone: zusätzlich – 230 000 Arbeitsplätze schaffen – dazu gibt es Studien -, und dabei handelt es sich um zurückhaltende Berechnungen. Natürlich sollen diese Arbeitsplätze unter Tarif fallen, und natürlich muss es einen Betriebsrat geben; das ist doch gar keine Frage.

(Beifall bei der LINKEN – Thomas Jurk (SPD): Doch, das ist die Frage!)

Dabei sind übrigens die zusätzlichen Arbeitsplätze in der Baubranche – Stichwort „Gebäudesanierung“ -, in der Energiedienstleistungsbranche und in der Effizienzbranche noch nicht einberechnet.

Ich sagte „könnte“, weil die Bundesregierung alles tut, um dies zu verhindern. Sie bremsen, Sie blockieren den Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor; dabei brauchen wir den Stromsektor künftig auch für Mobilität und Wärme. Sie gefährden auch bestehende Arbeitsplätze bei der Kraft-Wärme-Kopplung, wo wahrscheinlich durch die überstürzte Einführung von Ausschreibungen ein Fadenriss entsteht; das haben auch die Anhörungen gezeigt.

Wir stehen im Energiebereich, auch im Verkehrsbereich vor einem gewaltigen ökologischen Umbau. Im Automobilbereich steckt Innovationspotenzial in der Umstellung auf ökologische Antriebe. Deutschland könnte hier Vorreiter sein. Das gilt übrigens auch für die Klimakiller Luftfahrt und Schifffahrt, wo noch viel passieren muss. Ich frage mich halt: Wo ist denn da die Bundesregierung, die den Rahmen für eine umweltverträgliche Mobilität vorgibt? Aber was soll man von einem CSU-Verkehrsminister erwarten, der noch immer seine schützende Hand über die Manipulationen der heimischen Autoindustrie legt? Aber vielleicht gehört das ja schon zur Vorstufe zum Paradies; das könnte auch sein.

(Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hä?)

Jetzt ist der VW-Konzern durch die Abgasaffäre offenbar aufgewacht, will verstärkt in die Elektromobilität einsteigen – und das ist gut so. Aber mit dem angekündigten Abbau von 23 000 Stellen allein in Deutschland lässt der Konzern die Beschäftigten für die Verluste durch den Abgasskandal bluten. Das ist nicht fair. Die Kolleginnen und Kollegen fühlen sich verkauft. Dabei handelt es sich nicht nur um die Kernmann- und -frauschaften, sondern natürlich auch um all die Leiharbeiter und die Zulieferer, deren Einkünfte man sowieso immer drückt. Herr Gabriel, dazu, zu VW, habe ich von Ihnen gar nichts gehört.

Die Braunkohlewirtschaft hat ja den gravierenden Stellenabbau schon hinter sich. Gerade deshalb sollte nun ein Kohleausstieg ohne weitere Strukturbrüche erreicht werden. Dazu haben wir Anträge zum Haushalt gestellt. Wir wollen 250 Millionen Euro im Jahr für einen Strukturfonds; der ist notwendig, damit dieser Strukturwandel eingeleitet werden kann.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Bulling-Schröter, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu?

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Wir wollen ja nicht sofort aus der Kohle aussteigen, aber wir wollen den Strukturwandel befördern.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier geht es um Arbeitsplätze, hier geht es um den Klimaschutzplan, und hier geht es um die Zukunft von ganz vielen Menschen, auch um die Zukunft der Kindeskinder. Des Weiteren geht es auch um gute Arbeitsplätze sowie um armutsfeste Renten. All das gehört zusammen. Soziales und Ökologie können nicht mehr getrennt werden.

(Beifall bei der LINKEN)