Wenig Ehrgeiz, viel Flickschusterei

Rede im Bundestag – 10.09.2014

Den Haushalt 2015 nimmt Eva Bulling-Schröter zum Anlass, um die wenig beherzte Finanzierung der Energiewende der Bundesregierung zu kritisieren, die immer behauptet, dies sei ihr wichtigstes Projekt. Denn das schlage sich nicht in geplanten Fördermitteln für die Energiewende nieder.

Rede am 10.09.2014 zum Tagesordnungspunkt Epl 09 – Erste Beratung des Einzelplans 09 (Wirtschaft und Energie) im Haushalt 2015

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Die weltweite Konzentration von CO2 hat im vergangenen Jahr so stark zugenommen wie seit 30 Jahren nicht mehr. ‑ Das titelten gestern die Zeitungen. Ich halte das für beängstigend. Wir haben da sehr viel Handlungsbedarf. Ich frage mich natürlich: Ist Klimaschutz bei dieser Bundesregierung überhaupt ein Thema? Man hat den Eindruck: im Bundeswirtschaftsministerium eher nicht, auch wenn in den Debatten zum Einzelplan 09, Wirtschaft und Energie, wieder einmal behauptet wird, die Umsetzung der Energiewende sei ihr wichtigstes Vorhaben.

Wenn das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit einem Haushaltsvolumen von 7 Milliarden Euro eine solche Behauptung aufstellt, dann sollte man meinen, dies finde einen Niederschlag in Heller und Pfennig bzw. Euro und Cent ebendieses Einzelplans. Aber weit gefehlt! Das Wirtschaftsministerium ist unter Ihrer Führung, Herr Gabriel, ein klassisches Ministerium zur Förderung der Großindustrie geblieben, wie es das auch schon unter den Ministern Rösler, Brüderle, Glos, zu Guttenberg und selbstverständlich auch Wolfgang Clement war, die allesamt die Energiewende ‑ diesen Eindruck hatte man jedenfalls ‑ bekämpft haben. Sie atmen den Geist Ihrer Vorgänger, einen Geist, der den Interessen der Kohleindustrie und der Großkonzerne inniglich verbunden ist. Sie pflegen die gleichen Routinen und Kontakte zu den Konzernen, weniger zu mittelständischen Unternehmen, die schon vor Jahren in die Erneuerbaren investiert haben und die jetzt als Folge der EEG-Reform wahrscheinlich – ich hoffe, wir können es noch verhindern – zugrunde gehen werden. Ich frage mich: Wo ist der Ehrgeiz? Wir müssen das verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie paradox es bei der Energiewende zugeht, zeigt die Tatsache, dass bei der Finanzierung der Energiewende nur der geringere Teil aus dem Haushalt gestemmt wird. Der Löwenanteil wird aus dem Energie- und Klimafonds bestritten, den die Bundesregierung mit seinen 1,68 Milliarden Euro als das zentrale Finanzierungsinstrument für die Energiewende betitelt. Dabei handelt es sich, wie wir wissen, gar nicht um einen Haushaltstitel, sondern um ein Sondervermögen, das sich hauptsächlich aus dem kraftlosen Patienten „Emissionshandel“ speist. Sie wissen auch, dass die Einnahmen aus dem Emissionshandel nicht vorhersehbar sind und dass mittlerweile regelmäßig aus dem Haushalt aufgefüllt werden muss. Ich sage: Das ist ein Flickwerk.

Jetzt wollen Sie einen dauerhaften Bundeszuschuss etablieren. Wir halten das für richtig. Allerdings steht im Gesetzentwurf, dass die Höhe des Bundeszuschusses gedeckelt wird, und im Gesetz stehen Maximalbeträge. Was ist, wenn der CO2-Preis wieder stärker sinkt als prognostiziert? Das kann ja sein; das war auch in der Vergangenheit mehrfach der Fall. Streichen wir dann den Programmtitel, oder woher kommt das Geld dann? Es ist leider Flickschusterei. Es geht um Geld, das wir dringend benötigen würden.

Die Bundesregierung befreit sich damit nicht aus den EU-Fesseln. Ich kann nur noch einmal fragen: Wann bemühen wir uns, die weiteren Zertifikate aus der Pipeline zu nehmen und stillzulegen? Sie wissen, das ist der einzige Weg im Sinne des Klimaschutzes: Der Preis steigt, um das Ganze klimarelevant werden zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Dazu kommt noch: Von den 1,68 Milliarden Euro aus dem Energie- und Klimafonds entnehmen Sie gleich 203 Millionen Euro, um der Aluminium-, der Leder-, aber auch der Papierindustrie und vielen anderen Geschenke zu machen.

(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): So ein Schwachsinn!)

„Strompreiskompensation“ nennt sich das. Es ist, mit Verlaub, völlig verkehrte Welt:

(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Ja, genau!)

die Mittel für Klimaschutz und für die Energiewende für die Förderung der stromintensiven Industrie zu verwenden! Noch ein Privileg der Industrie, das zu den vielen anderen Privilegien hinzukommt! Dieses Geld fehlt der Energiewende.

(Mark Hauptmann (CDU/CSU): Man merkt, Sie haben keinen Basiskontakt! Sie reden nicht mit Familienunternehmen!)

Jetzt zum Thema Fracking. Herr Fuchs hat noch einmal dargestellt, dass er Fracking für sicher hält. In einem wegweisenden Interview im Sommer hat er sich für Gentechnik, für eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten

(Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Das habe ich nirgendwo gesagt! Wo habe ich das gesagt?)

und auch für Fracking ausgesprochen.

(Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Wo habe ich das gesagt? – Gegenruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): „In einem wegweisenden Interview!“)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Der Exxon-Chef Rex Tillerson hat sich öffentlich dagegen ausgesprochen, dass auf seinem Grundstück gefrackt wird.

(Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Jeder Grüne will auf seinem Grundstück kein Windrad stehen haben!)

Er war sogar in der Stadtratssitzung, gemeinsam mit Initiativen, und hat sich dagegen ausgesprochen. Wenn der Exxon-Chef das schon selbst macht – das ist in den Medien zu belegen -, dann frage ich Sie: Wie sicher ist denn Fracking überhaupt?

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie zitieren nur eine Studie.

(Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Die Studie vom UBA!)

Sie nehmen nicht wahr, dass die Bevölkerung Fracking nicht will, dass man Angst davor hat. Politik hat die Aufgabe, die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen: vor Gefahren durch Gentechnik, vor atomaren Gefahren und vor Gefahren durch Fracking. Das sollten auch Sie einmal sehen. – Man kann natürlich immer eine Studie zitieren, die man selbst bezahlt hat; dazu sagt der Volksmund etwas.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Diese Studie hat das Umweltbundesamt bezahlt!)