Endgültig Schluss mit Kohle 2040!

Rede im Bundestag – 04.07.2014

Flammendes Plädoyer für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2040: Eva Bulling-Schröter betont, dass man die Konsequenz aus dem Scheitern des Emissionshandels ziehen muss. Verantwortungsvolles Handeln für die Zukunft, bedeutet einem geordneten Fahrplan für den Kohleausstieg zu folgen, wie ihn DIE LINKE vorgelegt hat.

Rede am 04.07.2014 zum TOP 27a)  Beratung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Kohleausstieg einleiten – Überfälligen Strukturwandel im Kraftwerkspar einleiten – (Drs. 18/1962) und des Antrags der Fraktion DIE LINKE – Energiewende durch Kohleausstiegsgesetz absichern – (Drs. 18/1673)

 Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Energiewende und Klimawandel haben einen mächtigen Gegner: die Braunkohleindustrie, die derzeit boomt wie nie. Braunkohlekraftwerke sind ein überkommenes Relikt aus dem fossilen Energiezeitalter. Wir müssen die Verstromung von Kohle so schnell wie möglich überwinden, wollen wir unseren Kindern nicht eine zerstörte Welt hinterlassen. Wenn ich sage „schnell“, dann heißt das für uns: 2040 ist Schluss. Dazu haben auch wir einen Antrag eingebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland so viele Kilowattstunden Strom aus Kohle erzeugt worden wie seit 20 Jahren nicht mehr. Kohlestrom stößt mehr CO2 aus als jeder andere Energieträger; das ist hier unbestritten. Es ist völlig falsch, dass ausgerechnet die Kohle, der schmutzigste Energieträger, solch einen großen Erfolg feiert, in einer Welt, in der wir uns abmühen, den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Daran ändern auch die neuesten Zahlen nichts, die besagen, dass der Anteil der Kohle im letzten Halbjahr etwas zurückgegangen ist.

Kohlestrom ist billig, aber nur, weil seine immensen Folgekosten für Gesundheit und Natur nicht in den Preis mit einfließen; das sagt Herr Pfeiffer leider nicht. Billig ist er auch deshalb, weil alte Kohlekraftwerke, die die meisten Schadstoffe ausstoßen, jetzt viel profitabler sind als schadstoffarme Gaskraftwerke. Das beweist auch die Tatsache, dass es im ersten Halbjahr einen Produktionsrückgang bei Gaskraftwerken um 25 Prozent gegeben hat. Das ist wahnsinnig viel. Das müssen wir ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Der schmutzige deutsche Braunkohlestrom flutet auch das europäische Ausland. Auch dort beschwert man sich darüber.

Die Kosten für den Kohlestrom tragen die Menschen. Die gesundheitlichen Folgen wegen Quecksilberbelastung, Atemwegs- und Kreislaufbeschwerden, verkürzte Lebenszeit, die Kosten für die Vertreibung aus der Heimat wegen Braunkohletagebauen, die Zerstörung riesiger Naturflächen ‑ all diese Kosten tragen wir, die Bürgerinnen und Bürger.

Ich habe das Gefühl, dem Kartell der Kohlelobby ist das egal. Das finde ich sehr schade.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Vertreter der Kohleindustrie sitzen überall mit drin ‑ auch hier im Deutschen Bundestag ‑ und reden und entscheiden mit.

Eigentlich sollte der Emissionshandel den CO2-Ausstoß über hohe Preise ja verringern. Dieser Plan ist leider völlig misslungen. Der Emissionshandel ist kläglich gescheitert. Als Folge von Fehlentscheidungen gibt es enorme Überschüsse an CO2-Zertifikaten, wodurch der Preis in den Keller gefallen ist. Eine Tonne CO2-Ausstoß kostet derzeit unter 5 Euro. Im Grunde genommen müsste die Tonne CO2-Ausstoß aber mindestens 60 bis 80 Euro kosten, wenn der Emissionshandel den Betrieb von Kohlekraftwerken ernsthaft infrage stellen soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt will man den Emissionshandel reparieren, indem man einen Teil dieser Überschüsse vom Markt nimmt. Aber selbst wenn die Reform gelingt, werden immer noch zu wenige Zertifikate herausgenommen. Die Versuche, den Emissionshandel wiederzubeleben, werden ihn leider nicht mehr retten. Der Patient Emissionshandel ist klinisch tot.

Nehmen wir einmal an, es würde tatsächlich gelingen, den Preis für eine Tonne CO2 auf jene 60 bis 80 Euro zu treiben, damit die Braunkohle hierzulande irgendwann vom Markt gedrängt wird. Was wären die Folgen, wenn wir solche enorm hohen CO2-Kosten erzwingen würden? Das käme der Umwelt sehr zugute, aber die Verbraucherinnen und Verbraucher würde das über den Strompreis teuer zu stehen kommen, und das wollen wir ja alle miteinander nicht.

Wie kommen wir aus dieser Zwickmühle heraus? Die Bundesregierung will den CO2-Ausstoß bis 2040 um 60 Prozent reduziert haben. Wir sagen: Bis zu diesem Datum muss es ein definitives Ende der Kohleverstromung geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist ein Gebot der Stunde, so schnell wie irgend möglich aus der Kohleverstromung auszusteigen. Das ist nicht sofort möglich; das ist klar. Wir brauchen aber jetzt ein Kohleausstiegsgesetz mit einem ambitionierten Ausstiegsfahrplan.

(Jens Koeppen (CDU/CSU): Was sagt denn der Wirtschaftsminister von Brandenburg dazu?)

Anders bekommen wir diesen Rückwärtsgang nicht in den Griff.

Wir wollen den Kohleausstieg vom Ende her denken und schlagen Folgendes vor ‑ bitte hören Sie zu ‑: kein Neubau von Kohlekraftwerken, kein Neuaufschluss von Tagebauen, Stilllegung des letzten Kohlekraftwerks spätestens 2040,

(Beifall bei der LINKEN)

ab 2015 jährliche Begrenzung der Strommengen aus Kohlekraftwerken, ineffiziente Kraftwerke früher abschalten als effizientere, Übertragung von Reststrommengen auf jüngere, effizientere Anlagen zulassen.

Auch das ist wichtig: Der Kohleausstieg muss arbeitsmarkt- und sozialpolitisch flankiert werden. Mit den Betriebsräten vor Ort muss eine Regelung getroffen werden, mit der alle Beschäftigten in diesem Bereich zukünftig leben können.

(Jens Koeppen (CDU/CSU): Was sagt denn der Wirtschaftsminister von Brandenburg dazu? Er sagt doch genau das Gegenteil!)

Dafür sind Konversionsprogramme und eine soziale Absicherung notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich verstehe die Angst der Kohlekumpel. Das ist mir als Betriebsrätin doch nicht fremd. Wichtig ist, dass sich alle darauf einstellen können.

Ich meine, es wird langsam Zeit, diesen wichtigen Schritt in verantwortungsvoller Weise zu tun. Das ist im Sinne des Klimas wirklich notwendig. Beweisen Sie, dass Sie nicht am Tropf der Kohlelobby hängen und dass Ihnen die Gesundheit, die Umwelt und das Klima wichtiger sind als die Profite der Kohleindustrie. Ich denke, wir sollten uns von den Relikten des vergangenen Jahrhunderts trennen ‑ für zukünftige Arbeitsplätze im Bereich der regenerativen Energien und in vielen anderen Bereichen mit Perspektive und mit guten Löhnen.

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Leute, die vor Ort arbeiten, sind sehr qualifiziert. Hier können wir Qualifikationsprogramme und Strukturprogramme durchführen. Das ist dringend notwendig; denn sonst gibt es Probleme.

(Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Toll!)

Natürlich wird es immer Probleme geben. Aber Sie wollen nicht nach vorne schauen, sondern sagen hier einfach Nein.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)