Gabriel deckelt Energiewende

Rede im Bundestag – 30.01.2014

Tagesordnungspunkt 1

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe jetzt wirklich Angst, Herr Gabriel, dass Sie Ihr Gesellenstück vermasselt haben. Mir kommt es jedenfalls so vor. (Beifall bei der LINKEN)

Ob die Strompreise durch Ihre Reform wirklich stabil bleiben oder ob sie steigen, das wissen Sie nicht. Ich habe Ihr Interview dazu gesehen. Der Grund dafür ist natürlich auch, dass die Privilegien der Industrie wohl weitgehend unangetastet bleiben; jedenfalls liegt da alles noch im Nebel. Wir ahnen, wie das weitergeht. Ich kann nur sagen: Tun Sie etwas! Wir wollen nicht, dass über die EU das EEG plattgemacht wird; denn wir brauchen das EEG auch weiterhin.

Jetzt wird aber die Energiewende abgebremst. Da ist der rigide Ausbaukorridor von jährlich insgesamt 5 Gigawatt für Wind und Sonne. Zur Erklärung: Das Tempo des Ausbaus von Ökostromanlagen wird damit um ca. ein Drittel, also 33 Prozent, verringert, insbesondere bei der Photovoltaik.

Wir haben es schon gehört: Das geschieht ausgerechnet jetzt, da diese weitgehend konfliktfreie Technologie immer preiswerter wird. Ohnehin sind die EEG-Kosten zum überwiegenden Teil Kosten, die aus Entscheidungen in der Vergangenheit resultieren.

Mit der Ausbaubremse werden wir nicht viel bewirken; denn die Kosten fallen nach wie vor an. Die Tarife für Altanlagen wurden schließlich für 20 Jahre garantiert. Diese garantierten Tarife waren und sind im Sinne der Markteinführung richtig. Schließlich müssen Sonnen- und Windenergie gegen Subventionen in Millionenhöhe für die fossil-atomare Wirtschaft ankämpfen; denn Atomstrom wird noch indirekt subventioniert.

Herr Fuchs spricht vom Kaufkraftverlust, der durch das EEG hervorgerufen werde, aber er spricht nicht von dem Kaufkraftverlust, der aufgrund der Kosten der Atomenergie entsteht, denn der fossil-atomaren Energieerzeugung fließen erhebliche Mittel zu. (Beifall bei der LINKEN)

Im Prinzip sind die EEG-Kosten Technologieentwicklungskosten. So sehen wir das und viele andere auch. Darum können wir uns auch vorstellen, dass ein Teil dieser Rechnung in der Zukunft beglichen wird. Schließlich profitieren die künftigen Generationen von der Energiewende, und wir wollen, dass die Energiepreise nicht mehr so stark steigen. Wir sagen: Ilse Aigner hat an dieser Stelle ausnahmsweise recht.

Herr Minister, ich kann mich noch gut an die Klimakonferenz in Poznan erinnern. Sie sind da aufgetreten, haben viel Erfolg gehabt und haben die Leute begeistern können. Ich frage mich: Was ist jetzt? Es ist wirklich schade; denn das war ein guter Auftritt. Die Drosselung des Ökostromausbaus bringt die deutschen Klimaschutzziele, die wir bis 2020 erreichen wollen, in Gefahr. Schauen Sie sich die Zahlen an. Wir sind noch weit weg von unserem Ziel. Wir müssen aber dorthin. Das ist dringend notwendig. Die Lücke, die noch klafft, beträgt einige Prozent, und sie wird weiter wachsen. Sie wird auch deshalb wachsen, weil die Kohleverstromung jedes Jahr neue Rekordwerte erreicht.

Ich sehe in dem Regierungskonzept überhaupt keine Ansätze, wie dieser Trend gestoppt werden soll. Wir fluten Europa mit dreckigem Strom, und die Bundesregierung schaut zu. Und Sie wundern sich noch, wenn Osteuropa von unserer Politik nicht begeistert ist. Ich kann die Reaktion wirklich verstehen.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In die gleiche Richtung wie die Deckelung des Ausbaus wirken die Kürzungen der Vergütungen für den Ökostrom. Das neue Vergütungsmodell könnte das Aus für die Windkraft im Süden Deutschlands bedeuten. Damit nehmen Sie ausgerechnet der preiswertesten Art, Ökostrom zu erzeugen, den Wind aus den Segeln, zumindest regional.

Bei Offshoreanlagen, einer Großtechnologie, an deren Finanzierung Bürgergenossenschaften scheitern, sind Sie deutlich vorsichtiger. Da fragen wir uns natürlich, warum. Ich denke, wenn wir auf die Windkraft im Süden verzichten, dann verzichten wir nicht nur auf Ökostrom, sondern wir sorgen auch dafür, dass sich die Windkraftanlagen im Norden konzentrieren.

Wie lange aber werden die Bürgerinnen und Bürger sich das gefallen lassen? Sind die Landschaften in Bayern oder Baden-Württemberg mehr wert als die in Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern? Ich will hier nicht den Windkraftgegnern das Wort reden, im Gegenteil. Aber der beste Weg, Akzeptanz zu verspielen, ist der, den Sie, Herr Gabriel, hier beschreiten. In Bayern stocken schon die Windkraftprojekte, und die Leute sind sehr verunsichert. Sie wollen die schwankende Einspeisung von Sonnen- und Windenergie an die Börse zwingen. Wir sagen: Das ist der falsche Weg. (Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Genau! Planwirtschaft!)

Die Makler am Spotmarkt werden am Wetter nichts  ändern. Die angeblichen Vorteile der Direktvermarktung lösen sich in nichts auf; das zeigt sich, wenn man es genauer betrachtet.

Der Vorschlag verkehrt außerdem die vernünftige Hierarchie der Energiewende ins Gegenteil. Künftig sollen sich im Falle negativer Börsenpreise regenerative Anlagen an die konventionelle Erzeugung anpassen und nicht umgekehrt. Das ist für uns „Energiewende absurd“. Das dient eben nicht der Bürgerenergie, wie wir uns das alle wünschen, sondern es dient ganz anderen Zielen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerenergie werden sich wehren, genauso wie auch wir uns gegen diese Vorschläge wehren werden. (Beifall bei der LINKEN)