Wer haftet für Ewigkeitskosten?

Es geht um viele Milliarden. Wer kommt für die Hinterlassenschaften von Atom und Kohle auf? (Foto: privat)

Es geht um viele Milliarden. Wer kommt für die Hinterlassenschaften von Atom und Kohle auf? (Foto: privat)

Die Bundestagsabgeordneten der LINKEN Hubertus Zdebel und Eva Bulling-Schröter luden am Freitag zu einem Fachgespräch in den Bundestag zum Thema „Sicherung der Finanzierung von Nachsorgepflichten im Atom- und Kohlebereich“. Rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten angeregt mit folgenden Gästen: Hartmut Gassner (Anwalt und Mitglied der „Kommission Finanzierung Kernenergieausstieg“, KFK), Jochen Stay (.ausgestrahlt, Anti-Atom-Bewegung), Stefanie Langkamp (Klima-Allianz), Tobias Münchmeyer (Greenpeace), Swantje Fiedler (FÖS, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft) und Daniela Setton (Institute for Advanced Sustainability Studies, IASS Potsdam).

Im ersten Teil über Atom-Folgelasten, referierte Hartmut Gassner über die Ergebnisse der 19-köpfigen Kommission zur Finanzierung Kernenergieausstieg (KfK). Diese Kommission hatte vier Monate lang unter Führung von Ole von Beust (CDU), Matthias Platzeck (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) gearbeitet und im April 2016 einen Abschlussbericht vorgelegt, den DIE LINKE kritisierte. Die KfK war unter Ausschluss der LINKEN gebildet worden.

Hartmut Gassner spricht über die Kommission zur Finanzierung des Kernenergieausstiegs (Foto: privat)

Hartmut Gassner spricht über die Kommission zur Finanzierung des Kernenergieausstiegs (Foto: privat)

Es ging um die Frage, wie das im Atomgesetz verankerte Verursacher-Prinzip aufrecht erhalten werden kann, wenn die wirtschaftliche Lage der Energieversorgungsunternehmen (EVU) nicht so rosig ist. Die Verursacher haften heute mit 47,5 Milliarden Euro. Diese Rückstellungen, die derzeit in allen möglichen Kapitalformen investiert sind, gelte es zu sichern. Verschiedene finanzielle Entwicklungen und Modelle für die Sicherung der Rückstellungen wurden diskutiert. Die KfK schlug schließlich einen öffentlich-rechtlichen Fonds vor. Gassner ergänzte, dass der KfK-Vorschlag der EU-Kommission zur beihilferechtlichen Prüfung vorgelegt werde.

Jochen Stay kommentierte die Ergebnisse der Kommission aus Sicht der Anti-Atom-Bewegung, indem er kritisierte, dass die Allgemeinheit über den Strompreis bereits für die Rückstellungen bezahlt habe und nun ein weiteres Mal zur Kasse gebeten werde. Er gab zu Bedenken, dass bei Großprojekten in der Regel mit hohen Kostensteigerungen zu rechnen ist und dieses Risiko im Atombereich nicht realistisch berücksichtigt wurde. Es sei zudem eine Farce, wenn die KfK die Betreiber zu Transparenz verpflichten, aber die Kostenberechnungen der Betreiber nicht kontrollierbar seien. Stays Fazit: Das Verursacher-Prinzip wurde aufgegeben und Unternehmen werden aus der Nachhaftung entlassen.

Daniela Setton stellt IASS/FÖS-Studie vor (Foto: privat)

Daniela Setton stellt IASS/FÖS-Studie vor (Foto: privat)

Auch der im zweiten Teil diskutierte Kohlesektor steht vor hohen Rückbau-, Renaturierungs- und Ewigkeitskosten. Dazu stellte Daniela Stetton (IASS) den ersten Teil der Studie „Finanzielle Vorsorge im Braunkohlebereich” vor. Auch wenn die Folgekosten des Braunkohleabbaus nicht so hoch angesetzt werden wie im Atombereich, so gilt für die reale Verfügbarkeit von Rückstellungen derzeit Ähnliches: Auch diese Gelder sind im jeweiligen Konzern und nicht in einem Fonds o.ä. gesichert. Auch hier ist die Kostenaufstellung der Betreiber nicht transparent und es ist unklar, welche Risiken genau bestehen. Ebenfalls sind die Rückstellungen nicht insolvenzfest. Swantje Fiedler (FÖS) stellte den zweiten Teil der Studie, die Handlungsempfehlungen, vor: Überführung von Geldern in Sicherungsvermögen, Bildung eines öffentlich-rechtlichen Fonds sowie Nachhaftung der Unternehmen gewährleisten.

Tobis Münchmeyer über Schwarzbuch EPH (Foto: privat)

Tobis Münchmeyer über Schwarzbuch EPH (Foto: privat)

Tobias Münchmeyer stellte im Hinblick auf den Vattenfall-Nachfolger der Braunkohlesparte in der Lausitz, das von greenpeace herausgegebene Schwarzbuch EPH vor. Er erinnerte unter anderem daran, dass die EPH nach Übernahme der Mibrag 2009 zunächst die Rückstellungen auflöste. Derzeit seien etwa 129 Millionen Euro im Unternehmen als Rückstellungen vorhanden, notwendig seien aber geschätzte 1.022 Millionen Euro.  Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz schätzt, dass die Kosten im Braunkohlesektor für die Allgemeinheit schon heute wesentlich höher anzusetzen seien. Sie plädierte dafür, den Tagebaubetreibern Sicherheitsleistungen abzuverlangen und sie zur Übernahme aller Kosten verursachergerecht aufkommen zu lassen. In diesem Zusammenhang müssten auch bestehende Subventionen abgebaut werden. Planungssicherheit bekäme man nur mit einem Beschluss, keine neuen Tagebaue aufzuschließen und einem zügigen Beschluss für einen gesetzlichen Kohleausstieg.