Vertrauen in Standortsuche nur ohne Gorleben möglich

Rede am 22.02.2017 TOP 3  Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze

Drucksache 18/11398

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

Drucksache 18/11647

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

–  zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE.

Exportverbot für hochradioaktive Abfälle

–  zu dem Abschlussbericht der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe

Verantwortung für die Zukunft – Ein faires und transparentes Verfahren für die Auswahl eines nationalen Endlagerstandortes

Drucksachen 18/9791, 18/9100, 18/11647

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE.

Umgang mit Atommüll – Defizite des Entwurfs des Nationalen Entsorgungsprogramms beheben und Konsequenzen aus dem Atommülldesaster ziehen

Drucksachen 18/5228, 18/7275

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bezüglich des Neustarts der Suche nach einem Lager für atomare Abfälle sprach Minister Habeck von einer Art nationaler Versöhnung. Ich muss sagen: Leider ist es das nicht. Dies kann man an den heutigen Protesten der Anti-Atom-Bewegung vor dem Reichstag sehen, auch wenn ich zugebe, dass wir schon ein bisschen weitergekommen sind. Trotzdem muss ich heute in der Wunde bohren.

Mitte Dezember haben Union, SPD und Grüne in diesem Haus den Finanzierungsdeal der Atomfolgekosten auf den Weg gebracht. Die Linke hat das sehr kritisiert, und zwar mit Recht. Man hätte wissen können, was nun klar ist: Vattenfall zieht seine 4,3-Milliarden-Klage in Washington eben nicht zurück. Einige Abgeordnete haben damals gesagt, der Staat würde sich lächerlich machen, wenn die beiden letzten kostspieligen Klagen nicht zurückgezogen würden. Ich sage: Die Kolleginnen und Kollegen der Union, der SPD und auch der Grünen, die sich hier vor drei Monaten für diesen Deal gelobt haben, haben sich leider lächerlich gemacht.

(Beifall bei der LINKEN – Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Abwarten!)

Es ist ungefähr die gleiche Gruppe von Abgeordneten, die heute das novellierte Standortauswahlgesetz auf den Weg bringt. Dieses Gesetz beinhaltet wesentliche Verbesserungen. Es ist aber unzureichend geblieben – leider.

(Beifall bei der LINKEN)

Einige aus dem Unionslager streiten bereits heftig dafür bzw. argumentieren, dass gerade das bayerische Kristallingestein für Endlagerzwecke nicht geeignet sei.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Quatsch!)

Da wird aus dem Ökonomen Herrn Nüßlein plötzlich ein versierter Geologe, der weiß, dass Granit im Bayerischen Wald für die Endlagerung nicht taugt. Er wird uns das vielleicht nachher erklären.

(Zuruf des Abg. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU))

Unter dem Motto „Bayern first“ möchte man keine Verantwortung übernehmen. Schließlich war ja auch Franz Josef Strauß derjenige, der die AKWs forciert hat.

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Ganz so einfach ist das nicht!)

Aber immerhin ist Kristallin mit dabei. Vor der eigenen Gartentür hört bei Ihnen der Konsens auf. Das ist schon seit 1970 so. So wurde übrigens damals das Zonenrandgebiet Gorleben ausgewählt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

– Ich weiß gar nicht, wieso Sie sich so aufregen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Eigentlich war ein Standort im Emsland für geeignet gehalten worden. Dieser lag aber in den CDU-Wahlkreisen von Werner Remmers und Rudolf Seiters. Gorleben war einfach weit genug davon entfernt. Wir alle kennen das Bild vom grinsenden Ministerpräsidenten Albrecht, der vor exakt 40 Jahren auf der Landkarte auf den damals völlig unbekannten Ort Gorleben deutete. Also nichts mit wissenschaftlich!

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Bis heute geben CDU und CSU nicht wirklich zu, dass Gorleben politisch ausgewählt wurde und dass es vor allem deshalb im Spiel gehalten werden musste, weil man Gorleben als Entsorgungsnachweis für die laufenden Atomkraftwerke brauchte, die man sonst vom Netz hätte nehmen müssen. Das muss man einmal sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

In den 1990er-Jahren lehnte die Bundesregierung die Suche nach einem alternativen Standort ab, weil man an anderen Standorten nie den gleichen hohen Erkundungsstand erreichen könne wie in Gorleben.

(Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Sie dürfen dieses Land nie regieren! Niemals!)

Heute argumentiert die Mehrheit genau andersherum. Gorleben müsse im Verfahren bleiben, sonst wäre das nicht gerecht. Wir, die Linken, finden, dass das überhaupt nicht zusammenpasst.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Gorleben steht für eine große Wunde, falsche Entscheidungen, Manipulationen, Unwahrheiten und Polizeiprügel.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Gorleben im Verfahren zu belassen, ist daher eine Art Erbsünde dieses Standortauswahlgesetzes. Dieses Vorgehen ist nicht geeignet für eine Art nationale Versöhnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Foto: Uwe Hiksch

Foto: Uwe Hiksch

Heute war die Demo. Es waren auch Leute von der BI Gorleben da. Eine Frau hat gesagt: Wenn jemand ein Auto mit Zündschlüssel stehen lässt und es geklaut wird, ist das Verleitung zum Diebstahl. Wenn Gorleben nicht ausgeklammert wird, ist das Verleitung zur Lagerung von Atommüll in einem nicht geeigneten Lager.

Herr Kanitz, Sie reden von einer Kultur der Verantwortung und sagen, die Leute sollen nicht mehr protestieren. Ich sage Ihnen: Wer sich einmischt, wer protestiert, auch einmal Nein sagt und nachdenklich ist, der trägt Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN – Steffen Kanitz (CDU/CSU): Wer nur Nein sagt, trägt keine Verantwortung! – Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Sie tragen hoffentlich nie Verantwortung in diesem Land! Niemals!)