Klimawandel geht uns alle an!

Rede im Bundestag – 02.04.2014

ZP 1 Aktuelle Stunde Konsequenzen der Bundesregierung aus dem IPCC-Weltklimabericht

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Klimapolitikerin weiß ich, wie schwer vermittelbar globale Erwärmung, Klimawandel sowie Folgen für Mensch und Natur sind. Ich sage „schwer vermittelbar“, weil spürbare Folgen verfehlter Energie- und Klimapolitik hierzulande nicht morgen oder übermorgen auftreten, sondern erst in 20, 30 oder gar 100 Jahren und weil Ergebnisse guter Energie- und Klimapolitik eben nicht über Niederlage und Sieg bei der nächsten Wahl entscheiden, sondern erst später, etwa im Jahr 2040, wenn Schulkinder über diese Große Koalition, die bei der Energiewende weiter auf die Bremse tritt, verständnislos den Kopf schütteln werden.

So sieht es heute aus. Gerade wegen der Langfristigkeit ist es mir ein Anliegen, dass heute wirklich jedem hier im Haus und im Land, ob in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern, deutlich wird, warum es uns etwas angeht, wenn vom Klimawandel die Rede ist, und auf welcher Grundlage die Warnungen von uns Klimapolitikern überhaupt fußen.

Zur empirischen Datenlage. Noch nie war ein Bericht des Weltklimarates sowohl bei Auswahl als auch bei Bewertung von Datenmaterial, Studien und Modellierungen so sorgfältig, so detailliert und damit wissenschaftlich so unangreifbar wie dieser Fünfte Sachstandsbericht. Allen Klimawandelskeptikern und Kohlefans bei Union, SPD und anderswo, denen es nur um Verharmlosung geht, sage ich deshalb: Noch nie in der Wissenschaftsgeschichte der Menschheit haben Forscherinnen und Forscher aller fünf Kontinente in gemeinsamer Arbeit, Abstimmung und Fachdiskussion ein derart umfangreiches Projekt in die Tat umgesetzt. Ihr Forschungsinteresse ist für uns alle von entscheidender Bedeutung, (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl)

nämlich der Erde eine verlässliche Diagnose über das ins Taumeln geratene Weltklima abzuringen. Ja, die Klimaforscher sind Überbringer schlechter Nachrichten, und sie sehen sich aus diesem Grund immer wieder öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt. Selbst die wissenschaftliche Seriosität wird ihnen abgesprochen. Ich finde, das geht überhaupt nicht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke will der Klimaforschung an dieser Stelle ganz klar ihren Respekt und ausdrücklichen Dank aussprechen. Es geht immerhin um die Lebensgrundlage aller Menschen. Das, meine Damen und Herren, geht uns alle an. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der neueste Bericht des Weltklimarates zeigt wieder einmal, wie tiefgreifend die Folgen des menschengemachten Klimawandels wirklich sind. Ich will an dieser Stelle nicht wieder die bekannten Bilder von Wirbelstürmen, Dürren, Überschwemmungen und Flüchtlingsströmen bemühen. So viel aber ist klar: Die 2-Grad-Marke der Erderwärmung ist in der aktuellen Tendenz nicht zu schaffen. Die Forscher rechnen in Worst-Case-Szenarien gar mit einer möglichen Erwärmung von 6,8 Grad Temperaturanstieg. Das ist einfach eine Katastrophe. Bald ist es 4 Grad wärmer als vor der Industrialisierung. Die Klimaerwärmung ist also Realität. Nun heißt es, sich an die Folgen anzupassen, ohne aber die CO2-Reduktion aus den Augen zu verlieren. Auch das sage ich ganz klar.

Wie erklärte gestern ein IPCC-Leitautor von der Arbeitsgruppe 2 zu „Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit“ so schön? Wir wissen nicht, ob bei einem vollgelaufenen Keller 50 Prozent vom Klimawandel kommen und 50 Prozent ganz normales Wetter ist. – Ganz richtig. Aber wenn das Haus unter Wasser steht oder das Dach weggeflogen ist, dann ist es den Bürgern eigentlich wurscht. Diese Zahlenspiele sind völlig egal. Da ist die Politik gefragt. (Beifall bei der LINKEN)

Wir wissen um die Notwendigkeit der Anpassung. 2009 wurde hier im Haus die deutsche Anpassungsstrategie verabschiedet. Alle Reden gingen zu Protokoll. Ein dringendes Interesse in Öffentlichkeit und Politik fehlt weiter. Darum finde ich diese Aktuelle Stunde so wichtig, auch wenn wir den nächsten IPCC-Bericht noch hätten abwarten können. Ich finde es aber trotzdem gut, dass wir das diskutieren.

Die größten Risiken des Klimawandels tragen – das kann man an dieser Stelle noch einmal sagen – Arme, Fischer, Bauern, Kleinsthändler. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann schaden nehmen, überall, auch die Gesundheit. Dann frage ich mich: Warum erkennen Versicherungen klimawandelinduzierte Schäden nicht an? Was ist mit der medizinischen Forschung von Gesundheitsschäden durch Klimawandel? Warum gibt es in der UN-Flüchtlingskonvention keinen Status für Klimaflüchtlinge? Und warum rühmen sich Forschungs- und Umweltministerium? 250 Millionen Euro stehen für die Anpassung in den Entwicklungsländern bereit. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Denken Sie an die Redezeit, bitte. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Letzter Satz. – Wissen Sie, was ein Deich kostet? Die 250 Millionen sind viel zu wenig. Allein auf den Philippinen gibt es 36 000 Kilometer Küste. Der Betrag ist lächerlich.

Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie in vielerlei Hinsicht etwas tut. Wir haben die Themen genannt. Es muss jetzt wirklich etwas passieren. Es ist eigentlich schon fünf nach zwölf. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)