Tagebuch von der Klimakonferenz 2013 in Warschau (COP19) – Klimagerechtigkeit jetzt!

Tag 1 (19.11.2013)

Die UN-Klimakonferenz findet dieses Jahr schon im November statt, bislang trafen sich die Herrscharen von Politikern, Diplomaten, Wissenschaftlern und NGOs meist im Dezember. COP 19, wie die Verhandlungen im UN-Kauderwelsch genannt werden, läuft schon seit Anfang letzter Woche in Warschau. Die vier Wochen früher brachten es mit sich, dass die Auswirkungen des verheerenden Taifuns „Haiyan“, der wenige Tage vorher tobte, noch unmittelbar wirkten.

So fand die Tagung auch einen eindrucksvollen Auftakt, weil der Verhandlungsführer der Philippinen Yeb Saño zu Beginn der Konferenz einen beeindruckenden Apell an die Weltgemeinschaft richtete, endlich ernsthafte Schritte zu tun, um den Ausstoß von Klimakillern zum mindern. “Lasst uns Warschau als den Ort in Erinnerung behalten, an dem wir diese Dummheit gestoppt haben”, so der Diplomat, der sich dafür inzwischen in einem Hungerstreik befindet. Es weist viel darauf hin, dass Taifune durch die Erderwärmung verstärkt werden.

Der eindrucksvolle Auftakt steht im gewisse Kontrast  zum Inhalt der diesjährigen Verhandlungen, die kaum spektakuläre Beschlüsse erwarten lassen. Es handelt sich quasi einmal mehr um eine Vorbereitungskonferenz, damit 2015 in Paris diesmal tatsächlich ein neues internationales Abkommen zur Treibhausgas-Reduktion unterschrieben werden kann. In Warschau sollen eine vernünftige Struktur für die Verhandlungen bis Paris und den Vertrag gefunden und bestimmte Institutionen und Mechanismen eingesetzt werden, die in Durban beschlossen wurden.  Unter dem Strich soll ein Rahmen festgezurrt werden, um ein Desaster wie in Kopenhagen 2009 zu verhindern.

Zentrale Meilensteine bis dahin werden das Treffen der Regierungschefs bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im September 2014 und COP 20 in Lima Ende 2014 sein. In der peruanischen Hauptstadt soll die UN-Konferenz den Verhandlungstext verabschieden, der dann in Paris „endverhandelt“ und abgestimmt werden soll. Bei den Treffen im nächsten Jahr sollen deshalb so zentrale Punkte wie die konkreten Angebote der einzelnen Länder zur Höhe der Minderungs- bzw. Begrenzungspflichten bei Treibhausgasen und der Industrieländer zur Klimafinanzierung des globalen Südens vorliegen. Vergleichbares gab es in Kopenhagen nicht. Dies war ein Grund dafür, weshalb seinerzeit der aufgeladene Klimagipfel brutal scheiterte. Warschau hat nun grob gesagt den Auftrag, das Regularium für diesen Prozess festzuzurren. Eine weitere Roadmap so zuzusagen, und positiv formuliert, eine weitere Runde im Poker um „Irgendwann oder Nie“, so Kritiker des UN-Prozesses.

In der letzten Woche wurde wie immer auf Expertenebene verhandelt. Das so genannte High-Level-Segment begann diese Woche, hier verhandeln bis Freitag neben Expertengruppen auch die politischen Entscheider, meistens die Umweltminister der Staaten.

Ich selbst bin heute Mittag angekommen fahre sofort zum Konferenzzentrum, das im Bauch des Warschauer Stadions liegt. Es ist überdacht, das Plenum findet in einem provisorischen Gebäude in der Mitte des Stadions statt (siehe Foto). Ringsherum sind die Räume, in denen verhandelt wird oder Side Events stattfinden.

Am Nachmittag begann das Plenum mit Reden von Kofi Annan und der Chefin des UN-Klimasekretariats Christiana Figueres. Danach bin ich bei einem Side Event der deutschen Delegation zur Energiewende in der Bundesrepublik. Unter anderem ist der Chef der chinesischen Energieagentur dabei. Es ist sehr interessant, was in China auf dem Gebiet der regenerativen Energien leistet, gleichwohl Chinas Treibhausgasausstoß weiter wächst. Die Frage ist, wann hier eine Wende eingeleitet werden kann.

Klar ist, dass sich die deutschen Vertreter nicht über die Koalitionsverhandlungen auslassen. Sie strahlen lieber immer noch mit ihrer Vorreiterrolle, die sie aber inzwischen nicht mehr haben. Nicht umsonst ist Deutschland im internationalen Klimaschutzindex von Germanwatch um elf Plätze auf Platz 19 abgestürzt. Die Ambitions-Kategorie in dieser Umgebung nennt sich „mittelmäßig“, erklärte Germanwatch in Warschau.

Auf dem Weg zu einer Veranstaltung  von Brot für die Welt mit Klimazeugen aus dem globalen Süden konnten wir die Ausstellung eines indischen Künstlers besuchen, der in Form von Filmplakaten den ernüchternden Ablauf der Klimakonferenzen darstellt.

Am beeindruckendsten beim Treffen war für mich eine Frau aus den Philippinen, die die Lage in ihrem Land schilderte und dann sagte, wir brauchten nicht nur Sympathie sondern auch Empathie. In diesem Zusammenhang wies sie auf die Verhandlungen zu Lost und Damage (Verlust und Entschädigung) hin. Dies ist ein neuer und hart umstrittener Mechanismus, bei dem vom Klimawandel betroffene Länder eine Entschädigung für nicht mehr vermeidbare Schäden aus klimabedingten Schäden, wie Hochwässern und Stürmen, einfordern wollen. Die bereits in Kopenhagen angekündigten 100 Mrd. Dollar jährlich für die Klimafinanzierung des globalen Südens würden sich dann nicht nur auf Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen aufteilen, sondern auch auf Pakete zu Lost und Damage. Beim Treffen wird erneut sichtbar, wie notwendig dies ist, und wie viele betroffene Menschen darauf warten. Hier erfahre ich auch, dass es Verhandlungen zwischen Brot für die Welt und der Katholischen Kirche gibt, damit diese Grundstücke für Klimaflüchtlinge im pazifischen Raum zur Verfügung stellt, etwa in Papua-Neuguinea.

Mein Eindruck bei den Verhandlungen bis jetzt: Es kommt vor allem darauf an, verloren gegangenes  Vertrauen wieder herzustellen. Dass muss aus meiner Sicht auch heißen, finanzielle Zusagen der Industrieländer schon jetzt, und nicht erst im nächsten Jahr konkret zu machen. Denn ansonsten werden sich viele Delegationen schlicht sperren. Ich hoffe, die EU und Deutschland gehen hier einen mutigen Schritt voran!

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Werbebanner mit UN-Klimakonferenz-Sponsoren

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Diskussion mit Jugend-Vertretern aus Deutschland und Frank Raabe (SPD)

Gewerkschaftler aus Südamerika

Gewerkschaftler aus Südamerika

 

Tag 2 (20.11.2013)

Wenn ich an diesem Mittwoch durch die Gänge gehe, habe ich das Gefühl, dass bei der UN-Klimakonferenz in Warschau deutlich weniger Menschen zur Klimakonferenz gekommen sind als im letzten Jahr bei der COP18 in Südafrika. Hat das Interesse der Öffentlichkeit an globalen Klimafragen an Schwung verloren?Vielleicht ist Glaubwürdigkeit das Problem. Ich komme am Sponsorenschild vorbei, das jeder Besucher passieren muss: Automobilhersteller, Luxus-Airlines sowie Stahl- und Bergbaumultis sind Geldgeber für die Konferenz, bei der die Politik darum ringt, den Verantwortlichen in der Wirtschaft Regeln für saubere Luft aufzuerlegen. Unschwer zu erkennen,  dass es hier massive Interessen gibt, die den Absichten der Klimakonferenz eigentlich zuwiderlaufen.

Vielleicht ist Glaubwürdigkeit das Problem. Ich komme am Sponsorenschild vorbei, das jeder Besucher passieren muss: Automobilhersteller, Luxus-Airlines sowie Stahl- und Bergbaumultis sind Geldgeber für die Konferenz, bei der die Politik darum ringt, den Verantwortlichen in der Wirtschaft Regeln für saubere Luft aufzuerlegen. Unschwer zu erkennen,  dass es hier massive Interessen gibt, die den Absichten der Klimakonferenz eigentlich zuwiderlaufen.

Bei der Delegationsbesprechung geht es um den Stand der Verhandlungen. Nach wie vor ist ein großes Thema wie der finanzielle “Aufwuchs” beim Green Climate Fonds (GCF), dem Grünen Klimafonds der Vereinten Nationen, in die Tat umgesetzt werden kann. Dabei geht es um Gelder aus den Industrieländern, den bisher größten CO2-Emmitenten, für Länder im globalen Süden. Beim UN-Klimagipfel Ende 2009 in Kopenhagen hatten die Industrieländer zugesagt, die Klimahilfen für Entwicklungsländer bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar anwachsen zu lassen. Besonders die armen Länder und kleine Inselstaaten haben unter globaler Erwärmung und Klimawandel-Folgen zu leiden. Wie wird mit den berechtigten Forderungen nach Entschädigung umgegangen? Offene Fragen, die noch verhandelt werden müssen.
Danach gibt es ein Treffen mit einer Delegation aus den Vereinigten Staaten. Sie fragen uns, welcher Stellenwert ihr nationales Minderungsziel für unsere Arbeit und anstehende Verhandlungen hat. Wir bekräftigen und bestärken sie darin, wie wichtig ambitionierte Klimaziele für die Zukunft sind. Bis 2020 haben sich die USA unter Präsident Barack Obama verpflichtet ihren CO2-Ausstoß um 17 Prozent zum Stand von 2005 zurückzufahren. Ein erster kleiner Schritt, der in die richtige Richtung geht. Anschließend diskutieren wir über die in den USA boomende, aber riskante Erdöl- und Gasfördermethode Fracking.

Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) treffen mein Bundestagskollege Frank Schwabe, der klimapolitische Sprecher der SPD, und ich eine große Delegation von GewerkschafterInnen aus Südamerika. Sie schildern ihre Lage und monieren, dass bei den Warschauer Verhandlungen Menschenrechte so gut wie keine Rolle spielen. Auch gibt es massive Zweifel an den USA und Kanada und ihren Klimazielen. Die Gewerkschaftler fordern von uns eine Stärkung in der Zusammenarbeit. In Sachen Umweltschutz wollen sie von Deutschland lernen. Ich spreche das Agieren deutscher Konzerne in ihren Ländern an. Genauso wie die Frage der Futtermittel-Exporte nach Europa und die damit verbundene Abholzung von Wäldern. Denn immer weiter frisst sich die Soja-Agrargrenze in den südamerikanischen Amazonaswald, eine der wichtigsten CO2-Senken der Erde. Wir verabreden uns für nächstes Jahr in Lima.

Dann Plenum: Umweltminister Peter Altmaier spricht. Ambitioniert klingt anders. Die Rede von Deutschlands mächtigstem Umweltpolitiker ist eine Enttäuschung. Trotz der jüngsten Unwetterkatastrophen wie auf den Philippinen eher Arbeitsbericht denn mitreißendes Statement. Damit hätte der CDU-Mann an EU, Gastgeberland Polen und globalen Süden wenigstens ein Zeichen der Entschlossenheit setzen können.
Auch inhaltlich eine klare Fehlanzeige. Keine Vorschläge in Richtung einer endgültigen Stilllegung der überschüssigen CO2-Zertifikate in der EU. Obwohl in Warschau jeder weiß, dass das kürzlich beschlossene Backloading – die lediglich vorübergehende Herausnahme von Verschmutzungsrechten aus dem Markt – kaum belebende Auswirkungen auf den dahinsiechenden Emissionshandelsmarkt hat. Für die Firmen lohnt es sich einfach nicht mehr in effektiven Klimaschutz zu investieren. Nützlich wären Vorschläge aus Deutschland gewesen, wie bei einem verschärften EU-Klimaschutzpfad dem Kohleland Polen durch Berlin und Brüssel unter die Arme gegriffen werden könnte. Das alles wären Signale gewesen, dass die EU ihr schwaches Treibhausgasziel einer 20-Prozent-Minderung bis 2020 wirklich ernsthaft verschärfen will. Der Glaubwürdigkeit der EU bei den schwierigen UN-Verhandlungen hätte das ohne Zweifel gut getan.

Immerhin ein Lichtblick: Die Zusage Deutschlands, 30 Millionen für den UN-Anpassungsfonds bereitzustellen. Das könnte andere Industriestaaten in Zugzwang bringen, endlich auch etwas in den Grünen Klimafonds einzuzahlen. Die Höhe ist allerdings eine kalte Dusche. Zum Vergleich: 100 Milliarden Dollar im Jahr sollen die Industriestaaten ab 2020 für Klimaschutz und Anpassung im Süden mobilisieren. 30 Millionen Euro vom reichen Deutschland sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie es der NABU heute treffend ausdrückte. Ein anderer Vergleich: Das Zehnfache mach der Bund alle sechs Monate locker, um die Dauerbaustelle Berliner Flughafen irgendwann in Betrieb nehmen zu können. Mein Urteil von Altmeiers Auftritt: 10:1 gegen die Erderwärmung.
Danach Treffen mit El Salvadors Umweltminister Hernán Rosa Chávez, der uns eindringlich auf die das Verhandlungsthema „loss and damage“ („Klimawandelbedingte Verluste und Schäden“) anspricht. Er könnte sich eine Versicherung mit Geldern der entwickelten Länder vorstellen. Die könnte Klimarisiken abschätzen und einspringen – auch bei Hurrikans und Erdbeben.

Zum Abschluss unseres Tages eine Debatte mit einer Jugenddelegation von VertreterInnen der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, BUNDjugend und Jugendbündnis Zukunftsenergien. Sie wollen wissen, ob wir der Meinung sind, dass Deutschland weiter eine Vorreiterrolle bei der Energiewende anstreben sollte. Dazu Fragen über Energieeffizienz, Bürgerbeteiligung und wie wir zum Wachstum stehen. Sie forderten uns auf bei den Bundestagsabgeordneten dafür zu werben, bei allen Klimaentscheidungen vor allem die Folgen für kommende Generationen mit zu denken. Diese engagierten, jungen Menschen machen Mut – wir verabreden uns zu weiteren Gesprächen in Berlin.

 

Gipfelstimmung auf Tiefpunkt – Tag 3 (21.11.2013)

Es ist Donnerstag Abend, und ich schaue auf einen Tag voller Ereignisse zurück. Am Morgen ahnen wir nicht, dass die Stimmung im Laufe des Tages auf seinen vorläufigen Tiefpunkt zusteuert. Der Weg vom Hotel zu unserer Bürobesprechung ist sehr kurz. Zwei Stationen mit der Straßenbahn, schon sind wir schon am Stadion. Nicht immer liegen die Tagungsorte der Klimakonferenz so zentral wie in der polnischen Hauptstadt.

Früh um 8 Uhr Bürobesprechung. Die VerhandlerInnen der Bundesregierung geben ihre Berichte ab. Ein hartes Brot, manche haben erst um 4 Uhr früh die Arbeit beendet. An ihren Gesichtern lässt sich erkennen, dass dies nicht die erste durchgearbeitete Nacht in Konferenzräumen und vor dem Rechner war. Es geht um harte Inhalte und Millionen von Euro. Zum Beispiel die Entschädigungszahlungen für “Schäden” durch den Klimaschutz. Oder wie eine Verminderung der Ölförderung angegangen werden kann. Wie werden die Regeln gestaltet, die die Verpflichtungen zur CO2-Reduzierung festlegen? Und wann müssen die Verpflichtungen der internationalen Gemeinschaft vorgelegt werden? Nicht alle spielen da mit. Länder wie die USA, Kanada und Australien wollen sich nicht von Außen auf Ziele festnageln lassen, sie setzen auf nationale Eigenständigkeit und eigene Reduktionsziele. Und die Entwicklungsländer pochen auf finanzielle Zusagen aus dem Norden, erst dann wollen sie über eigene Reduktionsziele reden.

In der Nacht zum Dienstag war der G77-Gruppe+China, die Verhandlungsgruppe von 133 Entwicklungsländern in den Vereinten Nationen kurz der Kragen geplatzt. Wegen der sturen Haltung einiger Bremser hatte der G77-Verhandlungsführer aus Bolivien, dem südamerikanischen Land war jüngst die Präsidentschaft übertragen worden war, die Verhandlungen über eines der wichtigsten Konferenz-Themen „loss and damage“ („Klimawandelbedingte Verluste und Schäden“) unterbrochen. Sind die Industrieländer nicht bereit wie in Südafrika 2013 vereinbart in den Grünen Klimafonds einzuzahlen, grüne High-Tech-Technologien zu teilen und Klimaflüchtlingen zu helfen, so mache weiteres Reden keinen Sinn. Erst im Laufe des Mittwochs wurde wieder miteinander gesprochen.
Nach der Bürobesprechung Besuch des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland in Polen. Rüdiger Freiherr von Fritsch berichtet galant über den erfolgreichen “Transformationsprozess” unseres Nachbarlandes. Von mir nur soviel zu diesem Erfolg blühender Landschaften: In Polen ist die Kluft von Arm zu Reich die größte in ganz Europa. 27 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos. Die Antwort vom einstigen Verhandlungsmitglied der EU-Osterweiterung und Ehemann von Huberta, geb. Freiin von Gaisberg-Schöckingen riecht durch und durch nach der elitären Luft des von ihm einst besuchten Luxus-Internats Salem: “Die Zahlen sind noch nicht nach EU-Normen erhoben, dann werden sie sicher sinken”. Den Geldadel auf beiden Seiten der Oder-Neiße-Grenze kann es standesgemäß freuen, wenn Parkwächter einen Stundenhungerlohn von 0,50 Cent bekommen und die Durchschnittsrente bei 400 Euro liegt.

Auch die Haltung von COP19-Gastgeber Polen zur Kohle ist Thema. Ganz offensichtlich wollte sich das 38-Millionen-Einwohnerland mit der Ausrichtung der Klimakonferenz ein grünes Mäntelchen überhängen. Der Schuss ging klar nach hinten los. Die internationalen Medien sind voll vom zweifelhaften, geradezu unverschämten Gipfel-Sponsoring der Multis. Gestern wurde, augenscheinlich auf Druck von in den Startlöchern stehenden Energie- und Bergbauwirtschaft, Polens Umweltminister im Rahmen einer Kabinettsumbildung der Mitte-Rechts-Regierung entlassen. Den Klimagipfel führt Marcin Korolec leider noch zu Ende. Kein gutes Ohmen für die Abschlusserklärung am Freitag. Denn Korolec ist ein Bremser. Ein Mann am falschen Platz, der Braunkohle für „unverzichtbar“ hält. Und 2012 mit seinem Veto als einziges EU-Land verhinderte, den CO2-Ausstoß der EU bis 2020 auf 25 Prozent statt nur 20 Prozent zu reduzieren. Regierungschef Donald Tusk hat den 43Jährigen als neuen Regierungsbeauftragten für Klimaschutz aufs Abstellgleis geschoben. Sein designierter Nachfolger ist nicht besser, Maciej Grabowskiist gilt als expliziter Verfechter der Schiefergasförderung und soll für ausländische Investoren den Rechtsrahmen schaffen, den sein Vorgänger nicht hinbekommen hat. Na bravo! Natürlich müssen wir die Sorgen der Menschen um ihren Arbeitsplatz ernst nehmen. Dazu gehören aber auch Konversionsprogramme, weg von der Kohle, hin zu den Erneuerbaren. Und regenerative Energien, das ist längst klar, werden viele neue Arbeitsplätze schaffen!

Wir eilen weiter. Nach dem Botschaftsbesuch Treffen mit Nichtregierungsorganisationen aus China. Unter anderem Greenpeace stellt Bemühungen von NGO, aber auch der Regierung dar. Nachdem die Luftverschmutzung im BRIC-Staat zum dringenden Thema wird, stellt Peking mittlerweile Kohlereduktionspläne auf. Auch in den Bereichen Verkehr, Transport und Energieeffizienz unternimmt die kommunistische Regierung große Anstrengungen. Auch unsere Ablehnung von CCS, der Verpressung von CO2 unter die Erde, ist Thema. Immer wieder angemahnt wird von den Gesprächspartnern aus Asien die wichtige Rolle Deutschlands im europäischen Prozess. Als wichtigste Wirtschaftskraft hat Berlin besondere Verantwortung. Auch solle die Vorreiterrolle bei der Energiewende weitergeführt werden. Längst ist Energiewende in alle Sprachen der Welt eingegangen. Hört sich besser an als das ebenfalls international gewordene Wort Waldsterben, oder?
Inzwischen sickern erste Informationen über den Eklat des Tages durch. Die wichtigsten großen nichtstaatlichen Organisationen und Gewerkschaften, darunter Greenpeace, Oxfam, BUND und der WWF, haben eine Protestaktion geplant. Wegen der unglaublichen „Ambitionslosigkeit“ der Industrieländer ist jetzt auch den Vertretern der Zivilgesellschaft der Geduldsfaden gerissen. Sie wollen in einem „walk out“ geschlossen aus dem Plenum ausziehen. Nach einer spektakulären Pressekonferenz ist es soweit. Ich demonstriere mit und begleite sie ein gutes Stück. Ihre Verärgerung ist nachvollziehbar, ich teile sie in allen Punkten. Bis 2015 bei der Konferenz in Paris soll ein globaler Pakt die Erderwärmung stoppen. Und hier in Warschau bewegen sich die Regierungen im Schneckentempo.
Beim anschließenden Treffen mit VertreterInnen der indigenen Völker. Eine Frau aus dem Tschad, die wir bereits in den letzten beiden Jahren getroffen hatten, berichtet von der Dringlichkeit des Handelns. Um ein Grad sei es in ihrer Heimat schon wärmer. Und Spitzentemperaturen von unerträglichen 51 Grad Celsius. Teer schmilzt auf der Straße, und eine neue Malaria-Art breite sich aus. Viele Kinder bis sechs Jahren würden an der Tropenkrankheit sterben, wegen großem Durst würde Wasser aus schmutzigen Brunnen entnommen. Sauberes Trinkwasser können sie nicht kaufen: “Aber wir haben eben keine anderen Möglichkeiten.” Hilfsorganisationen investieren zu wenig in Prävention, sagt die alte Bekannte. Und meint: “Wir müssen uns auf unser traditionelles Wissen, also überlieferte Kenntnisse zurück besinnen!“. Bei der nächsten Klimakonferenz in Peru soll es eine Prä-COP20 der indigenen Völker geben, so ein Vorschlag aus Venezuela für 2014. Ich meine, wir brauchen besonders in den reichen Ländern eine Debatte darüber, was für uns in Zukunft Wachstum, Fortschritt und Wohlstand bedeutet.

NGO geben ihren Konferenz-Boykott der Öffentlichkeit bekannt

NGO geben ihren Konferenz-Boykott der Öffentlichkeit bekannt

Im Gespräch mit Klimaaktivistin aus dem Tschad

Im Gespräch mit Klimaaktivistin aus dem Tschad

(c) Push Europe /Flickr.com

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Warten auf den Minimalkonsens – Tag 4

(22.11.2013)

Es ist Freitag Nachmittag, der letzte Tag der Klimakonferenz in Polen. Heute werden verhandelte Ergebnisse diskutiert und im Plenum abgesegnet. Wie lange das Tauziehen um einen Klima-Minimalkonsens dauert, das weiß keiner. Bei früheren Konferenzen wurde oft verlängert, in Hinterzimmern bis in den nächsten Tag hinein gefeilscht und gehandelt. Oder einfach die Uhr angehalten. Erst am späten Abend wird sich darum entscheiden, ob die Klimakonferenz in Warschau etwas bewegen konnte. Oder ob die hunderten Delegierten sich in den Flieger setzen, ohne konkrete Ergebnisse für ein besseres Weltklima, aber dafür mit vielen Hausaufgaben und leeren Händen.

Ich bin auf dem Weg nach Deutschland. Bisher sieht es eher düster aus. Die zukünftige Finanzierung steht immer noch in den Sternen. Vor allem, was die Langfristfinanzierung nach 2020 betrifft. Hier ist geplant 100 Mrd. Dollar jährlich zur Verfügung zu stellen.

Was die CO2-Reduktionsverpflichtungen betrifft, geht es immer noch um den Zeitplan. Wann diese gemeldet werden sollen ist Streitpunkt und sorgt für Blockaden. Einige Länder verharren weiter auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Und natürlich geht es um die Frage der Transparenz, also darum, wie die Zahlen über den CO2-Ausstoß tatsächlich überprüft werden.

Auch kurzlebige Gase spielen eine immer größere Rolle. Dabei geht es um Gase aus Kälte- und Klimaanlagen, aber auch Methan aus der Viehzucht und Fluorkohlenwasserstoffe. Weil diese besonders klimaschädlich sind müssen sie zurück gedrängt werden. Wir brauchen dringend Ersatzstoffe, und das muss international geregelt werden.

Beim Treffen mit den NGOs, die noch im Stadion sind wurde am Freitag die gestrige Protestaktion ausgewertet. Wir sehen auch, dass sich nicht alle zurückziehen können, da sonst vielfach Partner gerade auch für die Entwicklungsländer fehlen. Trotzdem war der viel diskutierte „work out“ ein richtiges Zeichen. Meiner Meinung nach hat der Auszug aufgerüttelt. Und wieder einmal darauf hingewiesen, dass es jetzt endlich Handeln braucht!

Gerade lese ich, Alois Glück, Chef des Zentralkomitees der Katholiken und früher für die CSU im Bundestag, hat zu verstärktem Handeln gegen die Erderwärmung auffordert. Und auf die COP21 im Jahr 2015 in Paris hingewiesen. Finde ich gut. Allerdings ein bisschen spät – kann mich nicht entsinnen, den neuen ZdK-Chef je zu Klimafragen gehört zu haben.