Ein Jahr nach Paris: Deutschland ohne Klimaplan zur UN-Klimakonferenz in Marrakesch

Rede am 10.11.2016

ZP 1 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Klimakonferenz von Marrakesch – Pariser Klimaabkommen auf allen Ebenen vorantreiben Drucksache 18/10238

ZP 2 Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE. Pariser Weltklimavertrag auf der UN-Klimakonferenz in Marrakesch in Gang bringen – Dekarbonisierung in Deutschland beschleunigen Drucksache 18/10242

ZP 3 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Klimaschutz entscheidend voranbringen Drucksache 18/10249

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Freitag ist das Pariser Klimaschutzabkommen in Kraft getreten, in Rekordtempo. Am Montag hat in Marokko die UN-Klimakonferenz begonnen, um die Staatenwelt auf 2-Grad-Kurs zu bringen, um die Länder des Südens mit ausreichenden Mitteln zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels auszustatten, damit sie die Kosten der Schäden begleichen können und eine Energiewende hinbekommen.

Und trotzdem ist diese Woche keine gute Woche für den Klimaschutz, im Gegenteil: Die Große Koalition hat es nicht geschafft, sich auf eine Strategie für mehr Klimaschutz in Deutschland zu einigen. Der Klimaschutzplan 2050 des Umweltministeriums ist im Getriebe der Ministerien und des Kanzleramtes gnadenlos zerschreddert worden. Zum klimapolitisch notwendigen Kohleausstieg finden sich keine konkreten Termine und Maßnahmen mehr. Statt endlich ein Ausstiegsdatum zu nennen, wird mit einer Klimaschutzkommission ein neuer Arbeitskreis gegründet. Statt die Energiewende zu beschleunigen, einen Strukturwandel einzuleiten und mit sozialen Maßnahmen abzufedern, wird ein Mindestpreis für Emissionszertifikate des EU-CO2-Handels vorgeschlagen. Der Zertifikathandel funktioniert doch seit Jahren nicht, und auf EU-Ebene ist ein Mindestpreis leider nicht durchsetzbar. Ich sage: Das ist alles ein Spielen auf Zeit. Das ist Augenwischerei. Es ist keine Klimaschutzpolitik gemäß Pariser Abkommen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Warum musste die Klimaschutzforderung zum Ende von Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren ‑ darüber muss man doch einmal diskutieren ‑ oder zur Finanzierung einer Elektrifizierung des Verkehrs über ‑ ich zitiere ‑ den „sukzessiven Abbau der bisherigen bestehenden Steuerprivilegien bei Diesel-Pkw“ herausgenommen werden? Warum finden sich keine konkreten Termine mehr für eine Gebäude- und Wärmewende, die den Namen auch verdient? Warum so wenig Substanzielles zu ökologischer Landwirtschaft und zu weniger Fleischkonsum? Das alles in einem Klimaschutzplan, der ‑ daran möchte ich erinnern ‑ ein Kuhhandel war, um ein echtes Klimaschutzgesetz zu verhindern, wie es die SPD im letzten Wahlkampf noch gefordert hat.

Ja, und dann am späten Dienstagabend das: Der zu einer Absichtserklärung verkommene Fata-Morgana-Klimaplan schafft es nicht einmal ins Kabinett. Die Klimakonferenz findet ohne deutschen Beitrag statt. „Klimapolitisches Horrorkabinett“ könnte man das nennen. Da fällt der Wirtschaftsminister Gabriel seiner eigenen Parteigenossin aus dem Umweltministerium in den Rücken, was er jetzt natürlich wieder abstreitet, und setzt den Klimaschutzplan endgültig in den Sand von Marrakesch.

Dass dann gestern auch noch der Klimawandelleugner Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen hat, hat mir als Klimapolitikerin, ehrlich gesagt, fast den Rest gegeben. Wer den Klimawandel zu einer Erfindung der Chinesen erklärt, eine Rettung der Kohle ankündigt und das Pariser Klimaschutzabkommen aufkündigen will, der muss sich in Zukunft einiges sagen lassen, und es ist die Frage, ob er noch enger Partner sein kann.

Und so liest sich der heute vorliegende Antrag der Koalition zur Klimakonferenz: Worthülsen, Wischiwaschi, keine konkreten Vorschläge. Ich sage es noch einmal: Es geht um das Ziel, die weltweite Klimaerwärmung auf 2 Grad zu begrenzen; aber momentan steuern wir auf 4 Grad zu. Das ist unerträglich, und da müssen wir etwas tun.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir machen in unserem Antrag konkrete Vorschläge: Bis 2050 brauchen wir mindestens 95 Prozent weniger CO2-Emissionen. Dazu müssen alle Sektoren einen fairen Beitrag leisten. Für Weggucken und Wegducken ist keine Zeit mehr, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wer es mit den Beschäftigten in den Industrien der Braunkohle und des Verkehrs ehrlich meint, der beginnt jetzt sofort, den Wandel einzuleiten. Alles andere ist Augenwischerei.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bedeutet, dass man ein Wahlversprechen nicht einlöst und die Beschäftigten ins Messer laufen lässt. Sie warten auf Zukunftspläne und brauchen Sicherheit.

Was wir jetzt brauchen, ist ein politischer Klimawandel. Diese Regierung ist zu echtem Klimaschutz anscheinend einfach nicht in der Lage. Das muss sich ändern, spätestens ab nächstem Jahr.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)